An diesem Freitag hat sich der 25. Januar 2011– der Tag der Revolution - schon zum zweiten Mal gejährt. Vor zwei Jahren erhob sich die ägyptische Bevölkerung gegen den damaligen Präsidenten Hosni Mubarak. Nun wiederholen sich die Proteste, diesmal richten sie sich jedoch vor allem gegen den heutigen Präsidenten Mohammed Mursi. Ein Beitrag von Zuher Jazmati aus Kairo.
Schon seit Monaten liefen die Organisationen für den 25. und 26. Januar auf Hochtouren, es gibt kaum ein anderes Gesprächsthema. An diesem Freitag gab es große Demonstrationen, auf denen klare Ziele ausgegeben wurden: Demokratie, Pluralismus, Säkularismus und der Sturz des Regimes. Die meisten Forderungen kommen einem bekannt vor. Sie wurden schon vor zwei Jahren gegen Mubarak ins Feld gebracht und wiederholen sich nun gegen den neuen sogenannten Pharao Mohammed Mursi. Er ist die Zielscheibe der Demonstrationen in diesem Jahr.
Die Demonstrationen sind Vorboten des Wahlkampfes
Es gibt für die Demonstranten unzählige Gründe, den Sturz des Regimes zu fordern. Es fängt mit dem Verlauf des verfassungsgebenden Prozesses an. Die neue Verfassung beinhaltet immer noch mehrere Punkte, die höchst kritisch sind. Und die Anzeichen, dass die Muslimbrüder bei dem Referendum betrogen haben, geben den Menschen einen weiteren Grund, auf die Straße zu gehen und gegen Mursi zu demonstrieren. Vieles weist darauf hin, dass die Regierung mit diversen Tricks geschummelt hat, doch professionelle, unabhängige Wahlbeobachter, die Betrug hätten nachweisen können, gab es nicht.
Opposition und Regierung haben beide zu friedlichen Demonstrationen aufgerufen. Beide wollen den revolutionären Geist aus dem Jahre 2011 für sich beanspruchen und sich als Bewahrer der Revolution darstellen. Doch die Kundgebungen an den beiden Demonstrationstagen sind nicht zuletzt Wahlkampfveranstaltungen. In weniger als drei Monaten finden Parlamentswahlen statt, bei denen sehr viel auf dem Spiel steht: sowohl für Mursi, als auch für seine Gegenspieler Mohammed ElBaradei, Hamdeen Sabahi und die anderen Oppositionellen. Wie werden die Verhältnisse im Parlament aussehen? Wer wird in diesen Tagen die besten Argumente für die Zukunft Ägyptens bieten? Kann sich die Verfassung halten oder wird sie abgeschafft, so wie es die Liberalen fordern?
Bodyguards wollen Frauen vor Belästigungen schützen
Viele stellen sich auch die Frage, welche Rolle die Frauen in den zwei Demonstrationstagen spielen werden. Auf den Straßen Kairos hat die sexuelle Belästigung seit der Revolution stark zugenommen und immer mehr Mädchen werden von Männern belästigt. Viele Mädchen und Frauen trauen sich nicht mehr alleine aus dem Haus, da sie sich vor der zunehmenden Belästigung fürchten. Die Initiative „Tahrir Bodyguard“ möchte den Frauen diese Angst nehmen und am Tahrirplatz Mädchen vor sexueller Belästigung schützen, so dass sie ebenfalls unbehelligt demonstrieren können. Die Bodyguards stehen in diesen Tagen am Tahrirplatz und überwachen die Geschehnisse. Doch am Freitag machten am Twitter weder die Berichte von Frauen die Runde, die von Männern am Rande der Kundgebungen belästigt und attackiert wurden.
In diesem Jahr schließt sich auch eine eher unpolitische Gruppe den Protesten gegen Mursi an und stellt eigene Forderungen. Der Ultras des Kairoer Fußballvereins „al-Ahly“ verlangen Gerechtigkeit und Sicherheit. Vor knapp einem Jahr wurden bei einem Massaker im Fußballstadion von Port Said 74 Ahlawis - so werden Ahly-Fans genannt - getötet. Die Ultras machen die Baltagija, die bezahlten Anhänger des gestürzten Mubarak-Regimes, für den Angriff verantwortlich, mit dem sie sich an der jungen Generation rächen wollten. Ausgerechnet am 26. Januar soll die Urteilsverkündung gegen die Täter stattfinden. Daher wird die Demonstration am Samstag noch größer und bedeutungsvoller werden. Die Proteste sollen Druck auf die Richter ausüben und ein schnelles Urteil bewirken. Schon bei dem Massaker zeigte die Polizei keine Bereitschaft, das Massaker zu verhindern oder die Täter zu fassen. Sie waren Zuschauer und ignorierten die Tat damals. Sie wurden noch nicht zur Rechenschaft gezogen.
Schon seit Tagen demonstrieren die Ahlawis für die harte Strafe der Täter und erinnern an die 74 Toten. Die Kairoer U-Bahn fuhr nicht mehr, da die Ultras auf die Gleise liefen und die Strecke zweitweise absperrten.
Preissteigerungen werden neue Proteste bringen
Doch auch nach dem Jahrestag der Revolution und dem Urteilsspruch werden die Proteste nicht aufhören. Mursi hat einen IWF-Kredit beantragt, der jedoch voraussetzt, dass Ägypten rückzahlungsfähig sein muss. Dafür hob er die Preise auf einzelne lebenswichtige Produkte, was sich im Portemonnaie der Bevölkerung schon jetzt bemerkbar macht. Die staatlich-öffentlichen Kürzungen, um zu sparen und den Ägyptischen Pfund wieder anzukurbeln, werden die sowieso schon stark vorhandene Armut weiter in die Höhe treiben. Gegen diese Preiserhöhungen werden sich die Ägypter wehren. Die Kombination aus einer religiös-politischen Regierung mit neoliberalem Wirtschaftsprogramm, das einen kleinen Teil der Gesellschaft wohlhabender machen wird, treibt die Menschen weiter auf die Straßen.
Die Muslimbrüder möchten derweil rund um den Tag der Revolution ganz viele Bäume pflanzen und Kairo ein wenig grüner machen. Die scheinen nicht ganz grün hinter den Ohren zu sein.