In den Palästinensischen National Security Forces dienen neben 12.000 Soldaten auch rund einhundert Soldatinnen. Eine von ihnen ist die Brigadegeneralin Rashida Moghrabi. Charlotte Kusenberg traf sie im Westjordanland.
Ramallah/Westjordanland. Ein Soldat serviert Kaffee in kleinen Porzellantässchen auf goldenem Tablett. Rashida sagt „Danke, Habibi“. Zwar wird im Arabischen nicht gerade sparsam mit Koseworten umgegangen - so würde z.B. auch ein Mann einen Kellner im Restaurant als „Habibi – mein lieber” zu sich rufen. Hier aber, beim Militär, klingt es nicht nur fremd, sondern auch nach Rollentausch – sonst sind es in der Regel die Frauen, die den Männern den Kaffee servieren.
Die Brigadegeneralin Rashida Moghrabi ist eine zierliche Frau Mitte vierzig mit dunklen Augen und wachem Blick. Unter der maßgeschneiderten Uniform, die sie mit braunen Lederabsatzstiefeln kombiniert, guckt eine exakt gebundene, khakifarbene Krawatte hervor. Ihr weißes Kopftuch trägt sie streng gebunden. Sie raucht eine Zigarette nach der anderen. Der Tintenabdruck an ihrem linken Zeigefinger zeigt, dass sie an den Kommunalwahlen vom vergangenen Samstag teilgenommen hat.
„Wie willst du die Leute überzeugen, wenn dir die Mittel fehlen, die Frauen anzukleiden“
Als Leiterin der 2012 etablierten Gender Unit, hat sie fünf Soldaten direkt unter sich. Derzeit arbeiten in den National Security Forces (NSF) etwa einhundert Soldatinnen neben rund 12.000 Soldaten. Theoretisch wartet die palästinensische Armee nur noch auf den Moment, in dem man ihren Staat anerkennt. Dann sind die NSF so gut wie bereit für den Einsatz: die Grenzen bewachen und für die nationale Sicherheit sorgen. Praktisch verfügen die Palästinenser aber aufgrund der Besatzung nicht über ihr Land.
Rashida arbeitet derzeit an dem Strategie-Plan für 2013. Darin berücksichtigt sie, zukünftig mehr Frauen in der Armee auszubilden. Die größte Hürde dabei sind die fehlenden finanziellen Mittel, die erforderlich sind, um die militärischen Anlagen frauengerecht zu gestalten: „Ehrlich gesagt haben wir nicht einmal Geld für ein neues Design von 400 Uniformen für Frauen, die praktisch sein müssen und gleichzeitig gut aussehen. Und dann musst du diese Gesellschaft davon überzeugen, ihre Töchter zusammen mit Männern in die Armee zu schicken. Aber wie willst du das erreichen, wenn dir allein die Mittel fehlen, die Frauen anzukleiden?“.
„Ich kommuniziere mit ihr wie mit einem Offizier“
Letzte Woche fand in der Armee ein Workshop zum Thema „Palestinian Women and Security“ statt. Es wurde deutlich gemacht, dass das jordanische Strafgesetzbuch, welches in der West Bank gilt, sexuelle Belästigung von Männern und Frauen – ein Thema mit alltäglicher Präsenz in der arabischen Welt – als eine Straftat definiert. Die Armee will solche Vergehen daher strenger ahnden. Rashida sieht den größten Vorteil für Frauen in der Armee in den klar vorgegebenen Rangordnungen. Der Soldat, der Rashida den Kaffee serviert, sagt: „Ich kommuniziere mit Rashida nicht wie mit einer Frau, ich kommuniziere mit ihr wie mit einem Offizier, der einen viel höheren Rang hat als ich.“ Rashida lobt: „Das sind sehr gute Jungs“. „Diskriminierung gibt es nicht“, sagt sie. „Frauen sind Männern körperlich zwar unterlegen, dafür können Frauen einen viel stärkeren Willen haben“, so ihre Meinung. „Sicherlich habe ich auch einige männliche Neider, die es wütend macht, dass eine Frau einen höheren Rang hat als sie. Meinen Rang habe ich durch die lange Zeit erworben, die ich meinem Heimatland gedient habe. Bald werde ich Generalleutnant“, sagt sie stolz.
„Und ich wollte nach Hause“
Geheiratet hat sie nie. „Welcher Mann möchte schon eine Frau heiraten, die nicht kochen kann“, scherzt sie und erzählt, dass sie als palästinensische Flüchtlingstochter in Beirut geboren wurde. „Die Situation der Palästinenser war in keinem anderen arabischen Land so schlimm wie im Libanon. Auf jeder erdenklichen Ebene haben uns die Libanesen diskriminiert“. Ihr Vater, ein Bauarbeiter, errichtete für das Rote Kreuz Krankenhäuser im Großraum Beirut. „Als ich 11 Jahre alt war, habe ich meinen Vater regelrecht angebettelt, mich zu seiner Arbeit mitzunehmen und mich somit in irgendeiner Weise nützlich zu machen. Ich habe damals Verbandspakete zusammengeschnürt“. Später wurde Rashida in einem Trainingscamp für palästinensische Jugendliche ausgebildet. Mit 15 Jahren kämpfte sie im libanesischen Bürgerkrieg. „Ich weiß, wie die Instrumentalisierung von Jugendlichen für den bewaffneten Kampf verurteilt wird, aber das war unsere Realität. Wir waren gezwungen, unsere Existenz im Libanon zu verteidigen. Und wenn jemand versucht hat mich zurückzuhalten, so bestand ich darauf zu kämpfen. Wir glaubten, dass wir nach dem Bürgerkrieg nach Hause kommen würden. Und ich wollte nach Hause.“
Von Charlotte Kusenberg