Die koptische Kirche wählt einen neuen Papst. Der Nachfolger des verstorbenen Shenouda III. wird es schwierig haben in die großen Fußspuren seines Vorgängers zu treten – und muss in Zeiten des Um- und Aufbruchs divergierende Interessen miteinander versöhnen.
Von Dominik Peters
Der Brauch will es, dass diejenigen, die koptischer Papst werden wollen oder vorgeschlagen wurden und den ersten Wahlgang überstanden haben, sich nicht demokratisch legitimiert gegen ihre Gegner in einem finalen Votum durchsetzen, sondern von einem kleinen Jungen ermittelt werden. All jene, die es durch das Votum der 2412 Wahlberechtigten in die Endrunde geschafft haben, sind mit einem Namenszettel in einem Kasten vertreten – und ebenjener kleine Junge, zieht mit verbundenen Augen einen dieser Zettel, wodurch der nächste Papst der koptischen Kirche ermittelt ist.
Zur Auswahl in diesem Lotterieverfahren stehen nach dem Tod Papst Shenoudas III. im März dieses Jahres drei von ursprünglich 17 Namen, die ein Gremium, bestehend aus neun Bischöfen und neun Laien, nun bekannt gegeben hat: Bischof Raphael, ein gelernter Arzt aus Kairo, den eher zentristisch orientierten Bischof Tawadros aus dem Nil-Delta und den als konservativ geltenden Mönch Raphael Ava Mina, der sich durch zahlreiche religiöse Schriften einen Namen erworben hat. Alle haben die Grundkriterien erfüllt, die besagen, dass ein Kandidat älter als 40 Jahre sein muss und mindestens 15 Jahre in einem Kloster gelebt haben soll.
Eigentlich hätte das Verfahren bereits drei Monate nach dem Ableben Shenoudas beendet sein sollen, doch durch die politischen Umwälzungen am Nil kam es immer wieder Verzögerungen. Daneben gab es dieses Mal eine weitere Neuerung, die den Charakter der koptischen Gemeinde widerspiegelt. Erstmals durften auch Kopten in der Diaspora über die Auswahl mitbestimmen.
Das Ergebnis wird am 4. November bekannt gegeben werden. Fest steht bereits heute, dass der neue Papst, der am 18. November sein Amt antritt und dann als 118. Nachfolger des Evangelisten Markus auf dem Thron des Patriarchen „von Alexandria bei Ägypten, der Pentapolis und ganz Afrika“ sitzen wird, ein schweres Los gezogen hat.
Spätestens nach den Parlamentswahlen und dem deutlichen Sieg der Muslimbruderschaft, aber noch viel mehr aufgrund des für viele überraschenden Ergebnisses der salafistischen Nur-Partei, sprechen viele Kopten schon lange nicht mehr von einem „Arabischen Frühling“, sondern von einem düsteren Winter. Die Zahl derjenigen, die das Land für immer verlassen, steigt stetig.
Gleichzeitig gibt es jedoch auch zahlreiche Gruppierungen junger Kopten, die sich aktiv am Demokratieprozess beteiligen, die Kirchenführung offen kritisieren, etwa die archaischen-hierarchischen Strukturen, die Papst Shenouda III. maßgeblich ausgebaut Zeit seines Lebens ausgebaut hatte. Diese divergierenden Meinungen unter einen päpstlichen Hut zu bringen, gleicht einer kaum lösbaren Mammutaufgabe.