Israels „Kadima“ hat einen neuen Vorsitzenden: Schaul Mofaz. Doch statt das ramponierte Image der größten Oppositionspartei aufzufrischen, setzt sich mit ihm der Negativtrend fort, den seine Vorgängerin Tzipi Livni eingeleitet hat, meint Dominik Peters.
„Ich gehe jetzt schlafen.“ Das waren die letzten Worte, die Tzipi Livni nach ihrer Wahlniederlage um den Vorsitz der „Kadima – Vorwärts“ gegen Widersacher Schaul Mofaz Ende März an die Parteimitglieder richtete.
Erschreckend – und damit bezeichnend für das Auftreten der einstigen Powerfrau und ihrer Partei im vergangenen Jahr. Die Sozialproteste? Verschlief Livni. Die Befreiung Gilad Schalits? In Livnis Augen ein Fehler. Das sind nur zwei der zahlreichen Fehler, die die 53-Jährige und damit auch die größte israelische Oppositionspartei Vertrauen und Zuspruch kosteten.
Und so verwunderte es nicht, dass Mofaz das Rennen nach zweimonatigem Wahlkampf klar mit fast 62 Prozent der Stimmen für sich und gegen Livini entschied. Er, der im iranischen Teheran geborene, 1957 nach Israel eingewanderte und mittlerweile in die Jahre gekommene Wunderknabe aus der Armee, wollte nicht nur die Partei aus dem Umfragentief holen, sondern auch gleich den Wahlkampf eröffnen.
Mit gemäßigten Tönen, so wie man es eben in einer Zentrums-Partei macht.
Und für die Demonstranten des letzten Sommers, die gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik der amtierenden Regierung auf die Straße gingen, hatte er gleich nach seiner Ernennung zum neuen Kadima-Vorsitzenden salbungsvolle Worte parat: „Sollte die Protestbewegung im Sommer dieses Jahres wieder zum Leben erwachen und sollte Netanjahu, wie üblich, versuchen, sie unter den Teppich zu kehren, dann wird das eine beispiellose Protestwelle auslösen und ich werde an ihrer Spitze stehen.“
Und um seine Linie der Mitte noch zu verdeutlichen, hofiert der ehemalige Oberbefehlshaber der israelischen Streitkräfte nicht nur den einflussreichen Studentenführer Jitzik Schmuli, der maßgeblich an den Sozialprotesten im vergangenen Jahr beteiligt war, sondern wählte die ganz große internationale Bühne. Schaul Mofaz gab der „New York Times“ ein Interview – mit fatalen Folgen.
Er erklärte, Israel solle „100 Prozent der territorialen Forderungen der Palästinenser erfüllen.“ Solche Eingeständnisse hat bisher keine einzige israelische Partei von Bedeutung gemacht, auch nicht die Arbeiterpartei.
Und auch Schaul Mofaz wird sie nicht machen. Denn er wird nicht nächster Ministerpräsident des Landes – zumal wenige Tage nach dieser brisanten Äußerung die Tageszeitung „Israel Hajom“ mit einem Zeitungsartikel aufwartete, der den Titel trug: „Als Schaul Mofaz ein Siedler war“.
Detailliert wird darin beschrieben, dass eben jener Mofaz während seiner Zeit als Likud-Mitglied nicht nur genau das Gegenteil propagiert hatte, um – vergeblich – den Parteivorsitz zu erobern, sondern dass er nebst Ehefrau 1977 im Dunstkreis des national-religiösen „Gusch Emunim“ selbst in einer Siedlung gelebt hat: Elkanah, unweit der Grünen Linie und präzise zwischen Tel Aviv und Ariel gelegen.
Selbst wenn Schaul Mofaz dort heute nicht mehr wohnt, die Häme und der Spott seiner politischen Gegner hat er sich sicher, nicht zuletzt des Likud. Der hatte in dem einstigen Parteigänger zu Beginn noch einen Rivalen gesehen, nun aber kaum noch Bedenken, dass „Kadima“ zu einer ernsthaften Gefahr werden könnte, wie israelische Medien übereinstimmend berichten. Und so heißt es für Schaul Mofaz und die Seinen zur Zeit weiterhin: Vorwärts nimmer, rückwärts immer.