28.03.2011
Wanted – Jobs & Demokratie
»Das Volk will den Sturz des Systems« – hört man in fast allen arabischen Staaten. Aber welche Anliegen sind den jungen Demonstranten wichtig? Eine Studie im Auftrag des Beratungsinstituts ASDA‘A Burson-Marsteller ging dieser Frage nach.

Demokratie, soziale Sicherheit und traditionelle Werte sind nach Angaben des »Arab Youth Survey« (AYS) die wichtigsten Dinge für die arabische Jugend im Jahre 2011. Politische Teilhabe wird gefordert, ein Wandel der Regierungssysteme angestrebt und die revolutionären Umwälzungen in vielen Staaten der arabischen Welt werden eindeutig begrüßt. Allerdings wird in diesem Zusammenhang auch das Bedürfnis nach Stabilität geäußert. Zudem gibt es eine wachsende Sorge, dass sich die Entwicklung eine falsche Richtung nehmen könnten.

Die Befragungen von 2000 Personen im Alter von 18-24 Jahren fanden im Zeitraum Dezember 2010 bis Januar 2011 statt. Die Studie liefert also einen interessanten Einblick in die Stimmungslage einer Generation vor den erfolgreichen Umstürzen in Ägypten und Tunesien.

Die Befragungen fanden in den Staaten des Golf-Kooperationsrates (GCC), also Saudi Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kuwait, Katar, Bahrain und Oman, sowie Jordanien, dem Libanon, Irak und Ägypten statt. Innerhalb dieser Staaten wurde auf die regionale Verteilung geachtet. Der AYS gibt also nicht nur die Meinung der Hauptstadtjugend wieder, sondern umfasst auch Jugendliche aus regionalen Subzentren. Positiv ist zudem hervorzuheben, dass die Interviews persönlich und nicht etwa über Online-Verfahren geführt wurden.

Wunsch nach demokratischen Verhältnissen am stärksten außerhalb der Golfregion

An der Datenerhebung ist jedoch zu kritisieren, dass sie sich einseitig auf die Golfstaaten konzentriert. Die reichen Golfstaaten sind sicher für eine Unternehmensberatung von gesteigertem Interesse, die dortigen Ergebnisse lassen sich aber nur schwer auf andere Staaten der arabischen Welt übertragen. Zudem kommt der gesamte Maghreb, mit Tunesien als Ausgangspunkt der Revolten, in der Erhebung nicht vor. Weiterhin sind die über 80 Millionen Ägypter mit 200 Befragten genauso stark vertreten wie knapp 600.000 Bahrainis.

Die Lebenssituationen und sozio-politischen Verhältnisse am Golf sind allerdings kaum mit den Lebensrealitäten in anderen Teilen der arabischen Welt zu vergleichen. Dies wird allerdings auch durch die Studie selber untermauert, die diese regionalen Unterschiede thematisiert und hier sehr interessante Ergebnisse liefert.
So ist etwa das »Leben in einem demokratischen Land« für 80% der Befragten außerhalb der Golfregion sehr wichtig, während dies nur 60% der Jugendlichen am Golf angaben. Spitzenreiter in dieser Kategorie ist übrigens der Irak, in dem 91% der Befragten es als sehr wichtig erachten, in einem demokratischen Staat zu leben. In Katar wird diese Frage nach demokratischen Verhältnissen nur von 33% mit ja beantwortet und spielt eine untergeordnete Rolle. Scheich Hamad Al-Khalifa al Thani wird dieses Ergebnis sicher freuen.

Steigende Preise und drohende Arbeitslosigkeit sind die drängendsten Probleme der arabischen Jugend

Die drängendsten Probleme für die Region sehen die Befragten im wirtschaftlichen Bereich. So betrachten 48% die steigenden Lebenshaltungskosten und 34% drohende Arbeitslosigkeit als größte Herausforderung. 58% machen sich persönlich über steigende Preise im Jahr 2011 Sorgen.

Zwischen 2009 und 2010 sind die Werte jedoch besonders in zwei Bereichen signifikant gestiegen. So machten sich 2009 33% Sorgen über die Kluft zwischen Arm und Reich, während 2011 dies 43% angaben.

Auch die Angst vor einem Erstarken islamistischer Bewegungen stieg deutlich. Während noch 2009 29% hier einen Grund zur Besorgnis sahen, waren dies bei der aktuellen Befragung 38%. Auch hier sind die regionalen Unterschiede eindeutig. 35% der Jugendlichen am Golf sorgen sich vor Islamisten, während die Jugendlichen außerhalb der Golfregion mit 46% deutlich stärker in Sorge sind.

Generell sieht die Studie das Internet in der ganzen arabischen Welt auf dem Vormarsch. Insbesondere soziale Netzwerke spielen eine immer größere Rolle bei der Internetnutzung. Die viel beschworene »Generation Facebook« macht sich hier alle Ehre. An den herrschenden Regimen und im Zusammenhang mit den Protesten werden besonders die Einschränkungen der Telekommunikation, des Internets und der Mobilfunknetze kritisiert.

Offen bleibt die Frage, ob die Proteste rückblickend als positive oder negative Entwicklung bewertet werden. Dies wird vielleicht der »Arab Youth Survey 2012« beantworten.