11.03.2011
Sonntag im Libanon - Tag der Entscheidung für Saad Hariri?
Ein Beitrag von Christoph Sydow und Björn Zimprich

Für den morgigen Sonntag ruft das libanesische Parteienbündnis "14. März" zu einer Großdemonstration auf dem Märtyrer-Platz in Beirut auf. Es soll ein deutliches Lebenszeichen der Zukunftsbewegung des ehemaligen Ministerpräsidenten Saad Hariri werden. Die Frage, die morgen beantwortet werden soll, lautet: Hat Hariri noch die Mehrheit der Sunniten des Libanon hinter sich?

Das Jahr began turbulent für den Libanon. Die Regierungskoalition der nationalen Einheit unter Führung von Saad Hariri wurde am 12. Januar 2011 durch den Rücktritt von elf Ministern zu Fall gebracht. Viele Beobachter vermuteten darauf hin, dass der Libanon in eine lange innenpolitische Krise stürzen wurde. Man erwartete ein unlösbares Patt zwischen den Allianzen des 8. März unter Führung der Hizbollah und der des 14. März unter Führung der Zukunftsbewegung von Saad Hariri.

Aber die Hizbollah hatte mal wieder ihre Hausaufgaben gemacht. In weniger als zwei Wochen gelang es ihr, eine Koalititon zu formen, die einen ihr genehmen Ministerpräsidenten stützte. Zünglein an der Wage spielte mal wieder der Drusenführer Walid Jumblatt, der sich wie schon lange erwartet mit seiner PSP nun auf die Seite des 8. März schlug. Am 25. Januar wurde Najib Miqati als neuer Ministerpräsident für den Libanon nominiert. Es folgten gewaltsame Protest in Beirut und in Tripoli, der Heimatstadt von Miqati, durch Anhänger des gestürzten Ministerpräsidenten Hariri.

Dieser Regierungssturz taugt aber kaum einen Vergleich mit den Revolten, die seit Jahresbeginn die arabische Welt bewegen. Die Situation in Ägypten oder Tunesien ist nicht mit dem Libanon zu vergleichen, wo ein starres Proporzsystem der zahlreichen religiösen Gruppen des Zedernstaates vorherrscht. Anders als in Kairo oder Tunis gibt es in Beirut keinen seit Jahrzehnten herrschenden Mubarak oder Ben Ali. Stattdessen gibt es eine Vielzahl kleiner Dikatoren, die über einzelne Konfessionsgruppen und Regionen des Landes herrschen. Einen allmächtigen Staat, der den Zorn seiner Bürger auf sich zieht, sucht man im Libanon vergebens.

Hariri will die Zedernrevolution wiederbeleben

Die wichtigsten Staatsämter werden immer von Angehörigen bestimmter Religionsgruppen besetzt. Der libanesische Ministerpräsident muss zum Beispiel immer sunnitischer Muslim sein und nach dem Nationalpakt sollen an der Regierung immer alle Religionsgruppen des Libanon beteiligt sein. Miqati ist Sunnit, aber die Frage die nach seiner Nominierung von Seiten seiner Gegner aufgeworfen wurde lautet: Repräsentiert Miqati auch die Mehrheit der Sunniten des Libanon? Hariris Anhänger stellen dies in Frage und wollen mit einer machtvollen Demonstration beweisen, dass nur Saad Hariri der legitime Führer der libanesischen Sunniten ist.

Im Lager des 14. März ist man sich der Tragweite des morgigen Tages bewusst. Nach dem Verlust der Regierungsmehrheit muss jetzt ein klares Zeichen folgen, damit Hariri mit seinen Verbündeten nicht in der Bedeutungslosigkeit versinkt. Entsprechend wird alles versucht eine maximale Mobilisation zu erreichen. Die erste Maßnahme war die Verlegung der diesjährigen Demonstration auf den 13. März. Am morgigen Sonntag rechnet man sich deutlich besserer Teilnehmerzahlen aus als an einem Wochentag. In den vergangenen Jahren demonstrierte das Hariri-Lager immer am 14. Februar, dem Jahrestag des Mordanschlags auf den ehemaligen Ministerpräsidenten Rafiq Hariri. In diesem Jahr fand am Todestag nur eine vergleichsweise kleine Gedenkveranstaltung vor ausgewählten Gästen im Messe- und Kongresszentrum der Hauptstadt statt.

Für die große Kundgebung am Sonntag wird nichts dem Zufall überlassen. Der ganze Libanon ist zugepflastert mit Demonstrationsaufrufen. Die Ausrede, man hätte von der Veranstaltung nicht gewusst, wird am Sonntag nicht zählen.

Das Ereignis selber wird von Mitgliedern des 14. März hochstilisiert. Gegenüber "Future News", dem familieneigenen Nachrichtensender von Saad Hariri, sprach Samir Geagea, Führer der christlichen Lebanese Forces, von einer "weiteren Zedern Revolution", die am 13. März stattfinden soll. Damit legt Geagea die Latte hoch. Die Demonstration am 14. März 2005, einen Monat nach der Ermordung Rafiq Hariri am 14.Februar 2005, stellte den Höhepunkt der so genannten Zedernrevolution dar. Die Schätzungen der Teilnehmerzahlen reichen von hundertausenden bis zu über einer Million Teilnehmer, die sich damals auf dem Märtyrerplatz in Beirut versammelten. Nach diesem historischen Datum benannte sich in der Folge das Parteienbündnis um Hariri, Geagea und Walid Jumblatt. Letzterer zog sich kurz nach der Parlamentswahl 2009 aus diesem Triumvirat zurück. Auch wegen der fehlenden Unterstützung der drusischen Anhängerschaft von Jumblatt, erscheint es unwahrscheinlich, dass sich morgen wieder so viele Menschen in Beiruts Stadtmitte versammeln werden, wie vor sechs Jahren.

Aber es geht bei der morgigen Demonstration nicht nur um Teilnehmerzahlen. Langfristig wird entscheidend sein, ob es Hariris Zukunftsbewegung gelingt, alle Segmente der sunnitischen Konfessionsgruppe des Libanon hinter sich zu vereinen. Der Hariri-Clan entstammt der südlichen Hafenstadt Saida und hat daher dort so etwas wie eine natürliche Hochburg. Seine politische Arbeit fokussierte man aber in den letzten Jahren auf die Hauptstadt Beirut. Gleichzeitig gelang es, die Wähler von Tripoli, der mehrheitlich von Sunniten bewohnten, zweitgrößten Stadt des Libanon, durch strategische Allianzen an sich zu binden. Traditionell sind im konservativen Tripoli aber islamistische Bewegungen unterschiedlicher Prägung fest verankert.

Hariris PR-Strategen leisten sich einen peinlichen Faux-Pas

Im klientelistischen geprägten Gesellschaftssystem des Libanons sind solche Allianzen aber meist nicht von langer Dauer. Ein neuer einflussreicher Führer mit entsprechender finanzieller Rückendeckung, wie der Milliardär Miqati sie hat, kann hier schnell in die Bresche springen. Schon bei der letzten Parlamentswahl sicherte sich Hariri durch einen taktischen Schulterschluss mit Miqati die Zustimmung der Wähler in Tripoli.

Nachdem sich Miqati aus dem Bündnis mit Hariri gelöst hat, versuchen die Gegner des neuen Premiers diesen als Handlanger der Hizbollah zu präsentieren. Die Waffen der Hizbollah werden deshalb in den Mittelpunkt der Werbekampagne für die sonntägliche Kundgebung gestellt. Dabei ist den Strategen jedoch ein peinlicher Faux-Pas unterlaufen. Ein TV-Spot soll die Gefahr unterstreichen, die von den Waffen der Schiiten-Miliz für die Libanesen ausgeht. Anders als der Fernsehclip suggeriert, gehen die Menschen in der Anfangsszene aber nicht vor Schüssen der Hizbullah in Deckung. Die Bilder zeigen stattdessen eine schiitische Familie, die sich bei den innerlibanesischen Kämpfen vom Mai 2008 in Beiruts Stadtteil Tariq al-Jdeideh vor Kämpfern der Zukunftsbewegung in Sicherheit bringt. Der Familienvater, der zu allem Überfluss Ali Hariri heißt, will nun den verantwortlichen Sender Future TV verklagen.

Wenn das Bündnis morgen seine Anhänger nicht in einer Zahl mobilisieren sollte, die nationale Dimensionen erreicht, hat sich der 14. März verhoben. Eine schwach besuchte Demonstration wird die neue, maßgeblich von der Hizbollah bestimmte Regierung kaum beeindrucken. Es würde vielmehr die Fragen aufgeworfen, ob Saad Hariri sich weiter als der Hauptrepräsentant der Sunniten des Libanons stilisieren kann. Dies könnte zur großen Chance für Miqati werden.