23.01.2010
Hochschulstreit in Israel - Bildung über alle Grenzen hinweg?

Mitten im Herzen der palästinensischen Westbank liegt Ariel. Die Siedlung wurde 1978 gegründet, expandierte und ist heute die viertgrößte in den besetzten Gebieten. Heute leben in der Stadt fast 17000 Menschen und es wird erwartet, dass Ariel in den nächsten 20 Jahren auf 60000 Einwohner anwachsen könnte. Ihrem eigenen Selbstverständnis nach ist man die „Hauptstadt von Samarien“ – mit weitreichenden Folgen.


Ariel: Wie ein rotes Tuch
1982 gründete man ein College, 2005 ernannte die Leitung des „College of Judea and Samaria“ sich selbst zur Universität. Es folgten Jahre des politischen Ringens um eine offizielle Anerkennung dieses Status. Vergangene Woche lenkte Ehud Barak unter großem Druck der Siedlerbewegung sowie der Regierungspartei Yisrael Beitenu ein und verlieh Ariel den Status einer Universität. Mit dieser Entscheidung hat der Verteidigungsminister die Gegner der Siedler auf den Plan gerufen. Die wehren sich massiv und werden von fast allen israelischen Tageszeitungen unterstützt.
Die Haaretz veröffentlichte ein Kommentar mit dem Titel „Wie ein rotes Tuch“. Der Autor warnt davor, dass die Erklärung Baraks den Befürwortern eines akademischen Boykotts gegen Israel starken Auftrieb geben werde. Ebenso die Yedioth Ahronoth, die den israelischen Botschafter in England, Ron Prossor, zu Wort kommen ließ, der seinen Vorgesetzten kritisierte und vom stellvertretenden Dekan der Universität East England Unterstützung erhielt. „Keine Universität, die etwas auf sich hält, wird irgendetwas mit Ariel zu tun haben wollen, ganz egal, wie es sich nennt,“ sagte Chaim Breishit.
Enttäuschung und Unverständnis
Die bisherigen israelischen Universitäten gelten als ausgezeichnete Hochschulen, die international anerkannt sind und ihren Studenten, ob Jude, Moslem oder Christ, gleichberechtigt behandeln. Umso größer ist nun auch hier die Enttäuschung, gelten ihre Lehrkräfte doch eher als links, liberal und säkular. Besonders moniert wird das fehlende wissenschaftliche Niveau des Colleges. Aber auch in politischen Kreisen sieht man darin eine unnötige Provokation der internationalen Wissenschaftsgemeinde.
Die Enttäuschung nicht verstehen kann hingegen Dan Margalit, dessen Frau Dozentin am Ariel College ist und der in der Zeitung Israel Hayom kommentierte: „Die Gegner versuchen, Schrecken zu verbreiten. Das ist eine konkrete Gefahr. Letzten Endes wird sich die Vernunft durchsetzen. Gestern hat sie bereits die richtige Richtung eingeschlagen.“ Er vermutet in der ablehnenden Haltung ganz andere Motive und wirft den alteingesessenen Universitäten vor, sie wollten alle staatlichen Subventionen für sich behalten, „vergleichbar vielleicht mit Insassen eines überfüllten Bus, die keine weiteren Passagiere einsteigen lassen wollen.“
Beim Streitobjekt Bildung meldete sich auch Igal Cohen-Orgad, Vorsitzender des Exekutivkomitees des Ariel Colleges zu Wort. In der Israel Hayom schrieb er: „Ich bin heute, wie auch in der Vergangenheit, davon überzeugt, dass jede akademische Institution ausschließlich nach ihrem akademischen Niveau beurteilt werden sollte, ohne andere Gesichtspunkte.“ Er betonte, dass seine Institution die Anerkennung von einem Komitee, das aus hochrangigen Experten bestand, erhielt. „Sie überprüften unsere Arbeit, unsere Erfolge, und sie gelangten zu der Überzeugung, dass wir de facto bereits aus jeder Sicht eine Universität sind, und die Anerkennung lediglich eine Formsache ist.“