15.12.2009
Chanuka - Der Geist des Widerstandes
Israel feiert Chanuka, acht Abende und Nächte lang. Auf allen öffentlichen Plätzen leuchten die Lichter, und in den Wohnungen streiten die Kinder, wer denn nun die nächste Kerze anzünden darf. Gebete und Lieder erklingen, ganz Israel singt patriotische Lieder – zu Ehren der sagenumwobenen Makkabäer.


Kulturkampf gegen den Hellenismus
Die Makkabäer hatten 164 v.Chr. einen Sieg gegen den syrischen König Antiochius IV erringen können – und damit das hellenistische Joch gebrochen, unter dem die Juden seit Alexander dem Großen lebten. Der hatte mit Waffengewalt die hellenistische Kultur ins judäische Land gebracht und die Frage der sich die Juden nun stellen mussten war: Wem sollen sie folgen – Athen oder Jerusalem? Für die Chassidim (dt.: „Fromme“) war die Antwort klar: Jerusalem, nieder mit Athen. Sie erhoben sich 167 v.Chr. gegen Antiochius IV, der den Tempel in Jerusalem Zeus geweiht hatte und den Juden jegliche religiöse Handlung untersagte. Unter der Leitung Judas Makkabi wurden die Syrer aus dem Land vertrieben. Im Jahr 163 v. Chr., auf den Tag genau vier Jahre nachdem Antiochius IV den Tempel besetzt hatte, zog die Armee der Makkabäer in Jerusalem ein. Der Augenblick war gekommen, das „ewige Licht“ – Symbol der ewigen Verbundenheit der Juden mit Gott –  wieder anzuzünden, es war aber nur noch ein einziger Krug mit rituell reinem Weihöl erhalten geblieben. Das Öl reichte immer nur einen Tag, dann aber geschah nach jüdischer Vorstellung das Wunder, das bis heute gefeiert wird: Das Licht brannte acht Tage lang, bis neues Olivenöl herbeigeschafft werden konnte. Zum Andenken an dieses Ölwunder – und dem damit verbundenen Kulturkampf gegen den Hellenismus – wurde Chanuka für immer eingeführt.
Furchtlos, kraftvoll, unbesiegbar 
Mit der Aufklärung und der Assimilierung des ashkenasischen Judentums an die Sitten und Bräuche Europas, geriet der Sieg in Vergessenheit und die Tradition des christlichen Weihnachtsfestes wurde mehr und mehr übernommen. Zionistische Kreise hatten dafür nur Spott übrig: „Weihnuka“ titelten sie das Fest, zu dem es eigentlich keinen Feiertag, aber längst eine Tradition gab. Selbst Theodor Herzl konnte seinen Kindern den Wunsch nach einen Tannenbaum nicht abschlagen: „Meinetwegen soll's der Chanuka-Baum heißen“, soll er einlenkend gesagt und damit eine Brücke zum jüdischen Lichterfest gebaut haben. Die Vermischung von jüdischer und christlicher Tradition fand jedoch mit den jüdischen Einwanderungswellen nach Palästina ein jähes Ende.
Chanuka wurde wieder als jüdisches Fest wahrgenommen und gefeiert. Man erinnerte sich an das Leben in den Ghettos, die Pogrome in Osteuropa und versuchte – um es mit den Worten von Max Nordau zu sagen – zum „Muskeljuden“ zu werden. Die frommen Juden, die sich 164 v.Chr. gegen Antiochius aufgelehnt hatten, wurden zum Idealtypus des neuen Juden, dem Israeli, erhoben: Furchtlos, kraftvoll und unbesiegbar – genau wie Judas Maccabi. Der Name des Anführers der jüdischen Freiheitskämpfer leitet sich von dem hebräischen Wort „makevet“ ab – Hammer: Judas war bekannt dafür seine Gegner mit einem Hammer zu erschlagen.
Revolutionäre These gegen den Mythos 
Doron Mendels, Professor für alte Geschichte an der Hebräischen Universität, hält vom Mythos des Kulturkampfes gegen den Hellenismus und der Geschichte des Hammerschwingenden Judas hingegen nicht viel. In seiner neusten Studie, die vergangene Woche pünktlich zum Chanuka-Fest erschienen ist, stellt er eine gewagte These auf: „Entgegen der gängigen Meinung im Zusammenhang mit dem Chanuka-Fest und dem Sieg der Makkabäer über die die Seleukiden, hat der griechische Herrscher Antiochius IV den Juden trotz des Verbots jüdischer Rituale die Hellenisierung nicht aufgezwungen“, heißt es in seinem Forschungsaufsatz „Jewish Identities in Antiquity“.
Die Analyse der schriftlichen Quellen zeige, so der Professor für alte Geschichte, dass die Frage der Hellenisierung zu jener Zeit praktisch keine Rolle gespielt habe. Tatsächlich hätte sich nur eine Minderheit der jüdischen Bevölkerung hellenisiert, und zwar ohne Zwang von Seiten der Herrscher. In den Augen Mendels sind diese Unterscheidungen von großer Bedeutung für das Verständnis der jüdischen Geschichte; bringen sie doch eine Diskrepanz zwischen dem Hellenisierungsmythos – der eine Metapher für den Kampf um jüdische Kontinuität durch die Zeiten geworden ist – und den tatsächlichen historischen Entwicklungen der damalige Zeit zum Ausdruck.