19.12.2009
Das Königreich entschuldigt sich
Zipi Livni: Vor gut einem Jahr war sie noch die Hoffnungsträgerin der westlichen Welt, diese liberale Frau, die Tierschützerin und Hobby-Schlagzeugerin. Die Medien titelten, sie sei auf dem Weg „die neue Golda Meir“ zu werden und auf der ganzen Welt wurde sie mit offenen Armen empfangen. Nach ihrer Wahlniederlage war die ehemalige israelische Außenministerin und gegenwärtige Oppositionsführerin jedoch von der internationalen Bildfläche geschwunden – bis vergangene Woche.

Kriegsverbrechen während „Gegossenes Blei“?
Ein Gericht in London hatte Haftbefehl gegen Livni wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen während der Gaza-Offensive „Gegossenes Blei“ zu Beginn dieses Jahres ausgestellt. Anwälte palästinensischer Opferfamilien hatten ihn beantragt. Zipi Livni zog es darauf hin vor, nicht nach London zu reisen, wo sie an einer Konferenz der Organisation „Jewish National Fund“ teilnehmen sollte. Die Tatsache, dass ein Londoner Gericht einen Haftbefehl gegen eine israelische Staatsbürgerin, ehemalige Außenministerin und nun Oppositionsführerin ausgestellt hatte, führte jedoch zu scharfen Protesten aus Jerusalem. Das israelische Außenministerium verlangte von der britischen Regierung, das Gesetz, dem zufolge ausländische Bürger in Großbritannien für im Ausland begangene Verbrechen belangt werden können, sofort zu ändern. „Israel weist den auf Geheiß radikaler Elemente vollzogenen zynischen rechtlichen Schritt des britischen Gerichts gegen Oppositionsführerin Zipi Livni zurück“, erklärte das israelische Außenamt. Die Regierung in London müsse „ein für allemal“ ihr Versprechen erfüllen, den Missbrauch des britischen Rechtssystems durch Feinde Israels zu verhindern.
Eisiger diplomatischer Wind
In einem Telefonat am Rande des Weltklimagipfels in Kopenhagen drückte der englische Premierminister Gordon Brown, israelischen Medienberichten zufolge, daraufhin seine Enttäuschung darüber aus, dass Livni ihre Reise zu einer Konferenz nahe London absagen musste. Er versicherte, sie sei in Großbritannien „jederzeit willkommen“. Die Briten würden ernsthaft eine Reform der Gesetze erwägen, um solche Fälle künftig zu vermeiden. In ihrem Fall wurde der Haftbefehl aufgehoben, als bekannt wurde, dass sie sich nicht im Königreich aufhält. Doch die Reaktion kommt zu spät: Statt warmen Worten weht nun ein eisiger diplomatischer Wind zwischen London und Jerusalem. In Israel fürchtet man, der Haftbefehl könnte Auswirkungen auf andere hochrangige Israelis haben, die während des Gaza-Krieges im Amt waren: Ehud Olmert, Ehud Barak und Gabi Ashkenazi.
„Die juristische Intifada“
Trotz der starken Rivalität zwischen Zipi Livni und Benjamin Netanjahu, stellte sich der Ministerpräsident klar auf ihre Seite und äußerte sich empört zu dem Haftbefehl. „Wir werden es nicht zulassen, dass Olmert, Barak oder Livni auf die Anklagebank geladen werden, und auch nicht, dass die Soldaten und Offiziere der IDF, die heldenhaft und mit hoher Moral einen grausamen und gemeinen Feind bekämpft haben, als Kriegsverbrecher beschimpft werden“, sagte Netanjahu, nach Berichten der israelischen Tageszeitung Maariv. Selbige geißelte den Haftbefehl als eine „juristische Intifada, die allmählich zur bedeutendsten Front des israelischen Kampfes in aller Welt wird. Vor allem sollte man fragen, warum Gerichte in Großbritannien und anderen Ländern die Antragsteller solcher Haftbefehle nicht zur Türe rausschmeißen.“ Einat Wilf, Kommentator der Zeitung Israel Hayom, verurteilte den britischen Haftbefehl ebenfalls, stellte aber auch klar: „Leute, die sich mit ihrem öffentlichen und militärischen Mut rühmen, benehmen sich jetzt wie die letzten Feiglinge und fürchten sich vor einem britischen Haftbefehl, so als handle es sich um „Midnight Express“. Das ist ein völlig unisraelisches Verhalten. Der Staat Israel wurde gegründet, damit er den Juden als Zufluchtsstätte dient, nicht als Gefängnis. Wenn unsere Politiker und Offiziere wirklich glauben, dass ihre Taten richtig und gerechtfertigt waren, dann sollten sie sich dementsprechend verhalten und schon jetzt ihr Reisebüro anrufen.“