21.12.2009
Israel diskutiert die Causa Kundus
Im Deutschen Bundestag ist die Entscheidung gefallen: Es wird einen Untersuchungsausschuss zur Causa Kundus geben. Die Opposition möchte erfahren, was in der Septembernacht geschah, als ein deutscher Befehl zur Bombardierung zweier gekaperter Tanklastzüge den Tod von 142 Zivilisten, Taliban und vermeintlichen Taliban zur Folge hatte. Die Diskussionen und Kontroversen über den strittigen Befehl enden jedoch nicht an der deutschen Grenze – auch in Israel blickt man gespannt auf die Debatten.

 

„Gezielte Tötung – in Deutsch“

 

 

Am Wochenende brachte die liberale israelische Tageszeitung Haaretz einen langen Bericht zum Einsatz deutscher Truppen in Afghanistan. Ofer Aderet hat für seinen Beitrag eine provokante Überschrift gewählt: „Gezielte Tötung – in Deutsch“, die er gleich zu Beginn seines Essays mit der Frage untermauert, ob deutsche Soldaten 70 Jahre nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges unschuldige Zivilisten töten dürften. Dieser Skandal zwingt, so Aderet, „die deutsche Armee und ihre Kommandeure, und eigentlich die ganze deutsche Gesellschaft, sich mit einer Frage auseinanderzusetzen, mit der sie sich eigentlich lieber nicht befassen würden. Israel wird fast täglich mit solchen Fragen konfrontiert: Was ist der Unterschied zwischen einem Krieg und einem Guerilla-Krieg? Wie unterscheidet man Zivilisten von Terroristen? Dürfen Terrorziele auch dann aus der Luft angegriffen werden, wenn sie sich in Wohngebieten befinden? Und vor allem- in wie weit ist der Verteidigungsminister für die Fehlschläge der Armee verantwortlich?“

 

 

Veränderte Spielregeln

 

 

Es scheint nicht verwunderlich, dass kurz vor der Jährung des Gaza-Krieges, am 27.12., der Essayist die Verbindung zwischen dem deutschen Militäreinsatz am Hindukush und dem Krieg zwischen Israel und der Hamas sucht. Er vergleicht die veränderten Spielregeln des deutschen Einsatzes in Afghanistan mit dem Einsatz der israelischen Anti-Terror-Einheiten. Beide Armeen würden ihren Soldaten ermöglichen „Anschläge zu verhindern“, indem Personen angegriffen werden können, „die Anschläge planen, vorbereiten oder unterstützen, oder die ein feindliches Verhalten demonstrieren.“ Aderets Fazit: „Auf hebräisch nennt man das gezielte Tötung.“

 

 

Den Spiegel vorhalten

 

 

Von gezielter Tötung spricht man in Deutschland bisher nicht – zumindest nicht offiziell. Aber, und das hält der Haaretz-Artikel Verteidigungsminister zu Guttenberg zu Gute, er habe als erster deutscher Minister gewagt, „die Situation in Afghanistan „Krieg“ zu nennen und dem deutschen Volk einen Spiegel vorzuhalten, in den es nicht gerne schauen möchte. So wurde den Menschen in Deutschland klar gemacht, dass ihre Armee zum ersten Mal seit dem 2. Weltkrieg an einem richtigen Krieg teilnimmt. Einem Krieg, der Opfer fordert, und in dem vielleicht sogar Kriegsverbrechen begangen werden, für die dann der Preis bezahlt werden muss.“