Am Montag hat die libanesische Hizbollah ihr neues politisches Grundsatzprogramm vorgestellt. Dieses Strategiepapier ist das erste der Partei seit ihrem Gründungsmanifest aus dem Jahr 1985. Das neue Programm unterscheidet sich in vielen Punkten deutlich von der Vorgängerversion, betrachtet man jedoch die Entwicklung der Hizbollah in den letzten Jahren bietet es wenig Neues oder Überraschendes. Mit dem nun vorgestellten Programm dokumentiert die Hizbollah formell ihre Wandlung von einer islamistischen Widerstandsgruppe hin zu einer politischen Partei, die nach ihrem Selbstbild keineswegs ein Anhängsel des Iran, sondern ein eigenständiger Akteur in der libanesischen Politik ist. Die Bewegung will den Eindruck vermeiden, eher iranischen als libanesischen Interessen verpflichtet zu sein.
Vergleicht man beide Papiere, so sticht am deutlichsten hervor, dass im neuen Manifest auf eine islamistisch-revolutionäre Rhetorik praktisch vollkommen verzichtet wird. Selbst Bezüge zum schiitischen Islam sucht man vergeblich. Der Begriff „Islamische Revolution“ wird im neuen Programm nicht ein einziges Mal erwähnt. Im Manifest von 1985 finden sich Verweise auf die Herrschaft des Rechtsgelehrten (Wilayat al-Faqih), die die Hizbollah als Idealbild eines politischen Systems skizziert - im neuen Grundsatzpapier fehlt dergleichen. Stattdessen bekennt sich die Partei zu einem „souveränen, freien, unabhängigen und starken Staat.“ Die Hizbollah sei für ein politisches System, „das den Willen der Menschen und ihr Streben nach Gerechtigkeit, Freiheit und Sicherheit, Stabilität, Wohlergehen und Würde repräsentiert“. Zugleich fordert die Schiiten-Partei eine Aufhebung des gegenwärtigen konfessionalistischen Systems im Libanon. Dieser Schritt zu einer wahrhaften Demokratie „in der die Mehrheit regiert und die Minderheit opponiert“ könne jedoch nur durch einen nationalen Dialog erreicht werden.
Daneben findet sich im neuen Parteimanifest viel Kritik an der Globalisierung und der US-Außenpolitik. Der Westen strebe nach der Weltdominanz, was sich besonders in Afghanistan, Irak, Palästina und Libanon widerspiegele. Die USA hätten die Anschläge des 11. September genutzt um unter dem Deckmantel des Kriegs gegen den Terror ihr Projekt zur Neuordnung des Nahen Ostens durchzusetzen, erklärte Hizbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah während der Vorstellung des neuen Programms am Montag. Ziel der Amerikaner sei eine politische, wirtschaftliche und kulturelle Hegemonie. Wichtiges Werkzeug im Nahen Osten hierfür sei „das zionistische Gebilde“, Israel. Die „amerikanische Arroganz“ habe dem libanesischen Volk gar keine andere Wahl gelassen als sich ihr mit allen Mitteln zu widersetzen. Die uneingeschränkte Unterstützung der USA für Israel mache die amerikanische Regierung zum „Feind unserer Nation und unseres Volkes“.
Die größte Bedrohung für den Libanon stelle jedoch Israel dar. Der Libanon als „Modell der Koexistenz“ sei inkompatibel mit dem „rassistischen Staat“ Israel, so das Hizbollah-Manifest. Nasrallah erinnerte am Montag an die libanesisch-israelischen Kriege seit 1948 und die zeitweise Besetzung des Landes durch Israel, die nur durch den libanesischen Widerstand beendet worden sei. Daraus ergibt sich für die Hizbollah, dass ihr Waffenarsenal auch in Zukunft nicht zur Disposition steht. Da es ein strategisches Ungleichgewicht zwischen der militärischen Stärke des Libanon und Israels gebe, sei die Aufrüstung der Hizbollah alternativlos. Im neuen Grundsatzprogramm findet sich kein Hinweis auf eine mögliche Eingliederung der Hizbollah und ihrer Waffen in die libanesische Armee.
Eine Anerkennung Israels oder gar einen Friedensschluss mit dem südlichen Nachbarn schließt die Hizbollah kategorisch aus. Die Vergangenheit habe bewiesen, dass Verhandlungen Israel nur stärker und kriegslüsterner gemacht hätten. Nur durch Widerstand könne man die Heimat schützen und besetztes Gebiet befreien. Während der Pressekonferenz am Montag überraschte Hassan Nasrallah als er bei der Vorstellung des Programms vom Text abwich und erklärte: „Das Problem ist nicht, dass sie Juden sind, sondern dass sie Palästina übernommen haben.“ Dies ändere jedoch nichts daran, dass die Hizbollah Israel die Legitimität abspreche. „Dieser Standpunkt ist endgültig, selbst wenn jeder Israel anerkennt“.
Vertreter des Bündnisses „March 14“, dem innenpolitischen Gegner der Hizbollah, kritisierten das Parteimanifest, da es den libanesischen Staat, die Armee und das Volk zu bloßen Helfern des islamischen Widerstandes degradiere. Damit beweise die Partei, dass sie außerhalb der staatlichen Strukturen operiere. Die Miliz könne nicht die gleichen Rechte wie die Armee für sich beanspruchen und gleichzeitig jede staatliche Kontrolle ablehnen.