05.12.2009
Wie du mir, so ich dir
„Einmal werden wir doch wieder Menschen und nicht nur Juden sein.“ Dieser Satz entstand auf einem Dachboden in den Niederlanden, vor mehr als 60 Jahren. Geschrieben hat ihn ein kleines Mädchen – Anne Frank. Ihr Tagebuch gilt heute als eines der bewegendsten historischen Dokumente aus der Zeit der Nazidiktatur und sie selbst als eine Symbolfigur für alle Opfer der Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten. Weltweit wurde das Buch bisher mehr als 20 Millionen Mal gedruckt und auf dem ganzen Globus können Kinder lesen, was ein Kind dachte und fühlte als es den Tod vor Augen hatte. Und genau das scheint ein Problem zu sein.
Ein schamloser Gesetzesbruch?

Vor wenigen Tagen gab der im Libanon beheimatete Hizbollah-Fernsehsender „Al-Manar“ bekannt, dass man die Auslieferung eines Schulbuchs an eine libanesische Schule verurteile, weil das Buch Auszüge aus dem Tagebuch Anne Franks enthält. Der Sender berief sich auf ein libanesisches Gesetz, das sämtliche Importe von israelischen Waren oder eine Zusammenarbeit mit israelischen Instituten verbietet. Auf der Internetseite des „Al-Manar“-Senders wird – nach Angaben der Jerusalem Post – moniert, dass das beanstandete Schulbuch die Judenverfolgung im Dritten Reich thematisiert. Als noch gefährlicher wurde die „theatralische und mitreißende Darstellungsweise der Judenverfolgung“ eingestuft, indem die Tagebucheintragungen von Anne Frank als „emotionsgeladen“ in dem Schulbuch dargestellt werden.
Das „Komitee zur Boykottierung zionistischer Waren“, sagte, dass „dieser Akt definitiv eine Straftat ist und die Händler und Importeure dieses Buches werden sicherlich angeklagt werden. Das ist ein schamloser Gesetzesbruch und ein Schritt in Richtung einer Normalisierung des Verhältnisses mit Israel. Die staatlichen Verfolgungsbehörden müssen diesem kriminellen Akt schnellstens ein Ende bereiten.“ Ein Redakteur der libanesischen Zeitung „Al-Akhbar“ bezweifelte hingegen, dass das Tagebuch Anne Franks ein israelisches Produkt ist und nannte die Forderungen von „Al-Manar“ völlig haltlos: „Das Gesetz, das israelische Güter verbietet, spricht von dem Staat Israel: der israelischen Flagge, israelische Institutionen und dem Staat Israel als Nation. Anne Frank ist nicht israelisch. Anne Frank ist Teil der Weltliteratur.“
„Wenn der Himmel wütend ist“

Diese Tatsache ändert jedoch nichts daran, dass die Schulen, an die das Buch ausgeliefert wurde, es wieder von ihrem Lehrplan verbannten. Das ist kein Einzelfall: Auch im, von der Hamas kontrollierten Gaza-Streifen, ist es gang und gebe, den Holocaust aus den Schulbüchern fernzuhalten. Warum? „Wir lehnen es ab, dass unsere Kinder eine Lüge lernen sollen, die von den Zionisten erfunden wurde“ schrieb diesbezüglich ein Hamas-Komitee im August dieses Jahres an den Geschäftsträger der UNRWA im Gazastreifen, John Ging.
Die Uno-Organisation unterrichtet rund 200000 Palästinenser-Kinder im Gazastreifen. Wenn die Kinder die Schule verlassen haben und in ihrer Freizeit den Kopf freikriegen wollen, gibt ihnen die Hamas auf ihrer Kinderseite „Al-Fateh“ (http://www.al-fateh.net/) dazu Gelegenheit: Farbenfrohe Fotos, bunte Bilder und jede Menge Rätsel laden kindgerecht zum pädagogisch-sinnvollen Surfen ein. So scheint es, aber der Schein trügt: Bildung wird hier zur Propaganda, Geschichte geleugnet und gezielt versucht den Hass auf Israel in den Kindern noch weiter zu entflammen. Weder der arabische Winnie Pooh, noch die palästinensischen Teletubbies erwarten die Minderjährigen, stattdessen können sie Schlachtszenen und Selbstmordattentate anklicken und ausmalen. Alternativ können sie auch einen Bilderwettbewerb mit dem Thema „Wenn der Himmel wütend ist“ bestaunen – der Gewinner malt ein Bild, auf dem Steine auf israelische Soldaten regnen.

Katastrophe, welche Katastrophe?

Dass zwischen Beirut und Beit Lahiya die „Weißen von Zion“ und andere anti-jüdische und rassistische Bücher reißenden Absatz finden und der Holocaust in Schulen nicht behandelt wird, gar geleugnet wird, mag schockieren. Genauso schockierend ist es jedoch, dass auch in Israel, einem Land, das sich mit dem Titel der „einzigen Demokratie des Nahen Ostens“ schmückt ebenfalls Geschichtsfälschung stattfindet. Im Juli dieses Jahres beschloss man im Kultusministerium in Jerusalem, das arabische Wort Nakba aus dem Unterrichtsstoff für arabische Israelis zu verbannen. „Kein anderes Land der Welt würde seine eigene Gründung im offiziellen Lehrplan als Katastrophe behandeln“, rechtfertigte Bildungsminister Gideon Saar vom rechten Flügel des regierenden Likud-Blocks seine Entscheidung.
Ob nun in israelischen, libanesischen oder palästinensischen Schulen: Geschichtsverfälschung ist überall zu sehen, zu hören und zu lesen. Wie du mir, so ich dir – das scheint das Motto der verschiedenen Konfliktparteien zu sein. Die Vergangenheit wird in der Gegenwart verschwiegen und geleugnet – somit wachsen die Erwachsenen von morgen in eine Welt hinein, die ihnen alles bringen wird, nur eines nicht: Frieden.