Von Natalia Gorzawski
Wer eine Reise in die arabische Welt unternimmt wird schnell merken, dass manche Internetgewohnheit hier nur beschränkt ausführbar ist. Und so schockierte neulich die Meldung, dass neben Facebook, YouTube und Hotmail jetzt auch alsharq in Syrien zensiert wird. Trotz der großen Verbreitung ist die Tradition der Internetzensur in den meisten arabischen Ländern eher kurz, da es lange Zeit einfach nichts zu zensieren gab. Das Internet hat die unangenehme Eigenschaft, dass es global agiert, beim „Import“ ausländischer Seiten, Meinungen und Kommentare schlecht überprüfbar ist und mit seinem hohen Maß an Anonymität geradezu einen Freischein für politische Kritik und Organisation ausstellt: Ein zur Wirklichkeit mutierter Alptraum autoritärer Regime.
Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass einige arabische Staaten erst einmal versuchten, dem World Wide Web als Ganzes fernzubleiben, anstatt sich mit komplizierten Zensurmethoden zu beschäftigen. Frei nach dem Motto, wer keinen Zugang ermöglicht, muss auch nichts kontrollieren, weigerten sich viele arabische Regierungen schlicht ihre Länder an die virtuelle Welt anzuschließen. Ein Vorgehen, dass aufgrund der wirtschaftlichen und technischen Bedeutung des Internets jedoch nicht ewig Bestand haben konnte. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts mussten sich dann auch die letzten Verweigerer der Region, der Irak, Sudan und Libyen, geschlagen geben und gewährten den Zugang zur Welt des Chattens und Bloggens. Selbstverständlich konnte dabei nicht zugelassen werden, dass sich der wahnwitzige Informationsfluss in vollem Maße verbreitete.
Und so erreichte die lange Geschichte der arabischen Zensur vor einigen Jahren ein ganz neues Kapitel. Viele Länder Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens zeichnen sich dabei durch ein besonders hohes Maß an Kreativität und Einfallsreichtum aus. Da eine Verstaatlichung des Internets und eine genaue Überprüfung jeder Website nicht möglich ist, müssen Politiker, Behörden und Ministerien neue Mittel und Wege finden, um das Internet zu zähmen. Inmitten der Wirtschaftskrise erlebt die Branche der Zensur daher momentan den Höhepunkt eines unaufhaltsamen Aufschwungs. Je mehr Möglichkeiten das Internet bietet, desto mehr Verbote und Regulierungen müssen erarbeitet und durchgesetzt werden. Bloß nicht ganz die Kontrolle verlieren, scheint dabei ein wichtiger Leitspruch zu sein.
Und so werden Server blockiert und überprüft, Webseiten manipuliert und gesperrt und Übertragungsgeschwindigkeiten absichtlich gedrosselt. Angaben der OpenNet Initiative zufolge hebt sich dabei insbesondere das kleine Tunesien hervor. Während in der Verfassung Meinungs- und Pressefreiheit garantiert werden, ist es das einzige arabische Land, dem aktuell sowohl im politischen als auch im sozialen Bereich eine besonders umfassende Internetzensur gelungen zu sein scheint. Als die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen im letzten Jahr eine Onlinedemonstration ins Leben rief, gehörte die Republik dann auch zu den neun Ländern die man mit einem virtuellen Stellvertreter über Breitband bereisen konnte. Zumindest auf dem Bildschirm konnte man dann mit vorgefertigten Bannern für ein freies Cyberspace demonstrieren. Ein Jahr später verlieh die NGO der tunesischen Regierung dann zusätzlich den fragwürdigen Titel „Feind des Internets“. Unter den elf Staaten, denen diese Ehre zuteil wurde, befanden sich außerdem Saudi Arabien, Syrien und Ägypten.
Vor Ort wird die Internetbeschränkung natürlich ganz anders, mit dem Verweis auf moralisch-religiöse Beweggründe und den Schutz der Gesellschaft bewertet. Da eine Rundum-Überwachung des Internets unmöglich erscheint, setzten viele Länder vermehrt auch auf die direkte Hilfe der Bevölkerung. So sind beispielsweise alle Saudis dazu aufgerufen, sich direkt an der Zensurarbeit zu beteiligen und gefährliche Inhalte umgehend zu melden. Die Seite wird dann überprüft und gegebenenfalls „zum Schutz der Bevölkerung“ und zur Wahrung „der sozialen und religiösen Weltanschauung“ des Golfstaates gesperrt. Inzwischen sind allein in Saudi Arabien mehr als 400.000 Websites dem Zensurwahn zum Opfer gefallen. Hinzu kommt ein allgemeiner Trend zur „partizipativen Zensur“. Kritische Inhalte werden dabei nicht mehr verboten, sondern im Auftrag der Regierungen gezielt modifiziert und kommentiert.
Besonders innovativ gestaltete sich die anfängliche Zensurmethode im Sudan. Nachdem externer und interner Druck irgendwann so groß wurden, dass ein Anschluss des Landes an das Internet nicht mehr aufzuhalten schien, nutzte man die einfachste und effektivste Regulierungsmethode der Welt: Geld. Wer ins Internet wollte, musste umgerechnet etwa 500 Euro Anschlussgebühr bezahlen. Dies führte zu einem so kleinen und ausgewählten Nutzerkreis, dass eine weitreichende Zensur jahrelang schlichtweg nicht benötigt wurde.
In Syrien hingegen genießt die Verbreitung des Internets höchste Priorität. Dabei hat der Präsident jedoch eine ganz eigene Vorstellung über den Output dieser Förderung. Seiner Ansicht nach soll das Internet ein technisch modernes und fortschrittliches Syrien schaffen und die Welt über die Missstände im Israelkonflikt aufklären. Ein politischer Dialog oder Demokratisierungsprozesse sind hingegen weniger erwünscht. Eine gezielte Überwachung und Beschränkung der Nutzung ist daher fast ebenso wichtig wie die Verbreitung. Vor diesem Hintergrund ist der private Zugang weiterhin schwierig und teuer. Die meisten Syrer müssen daher immer noch auf Internetcafés zurückgreifen, wenn sie ihrer Leidenschaft fürs Web nachgehen wollen. Die Betreiber sind dabei dazu aufgefordert, die Netzaktivitäten der Besucher zu überwachen und Verwerfliches an entsprechende Stellen weiterzugeben. Das Land, in dem soziale Netzwerke, YouTube und diverse Blogs zur verbotenen Internet-Frucht zählen, hat jedoch zunehmend Probleme mit der Durchsetzung solcher Anweisungen.
Das Internet lässt sich nicht so einfach kontrolliert verbreiten wie Bashar Al-Assad es sich vielleicht gewünscht hat. Die Scheu vor dem Illegalen fällt mit dem Anstieg der Konkurrenz und wer im Sumpf der vielen Internetcafés nicht untergehen will, muss seinen Kunden zumindest den Zugang zum beliebten Facebook ermöglichen. Und so reicht heutzutage meist eine entsprechende Bitte an den Besitzer des Cafés aus, um auch in Damaskus oder Aleppo per Statusmeldung alle 314 Facebook-Freunde über den eigenen Gemütszustand zu informieren. Mithilfe eines ausländischen Servers wird der Kunde dafür ins Netz geleitet und erhält so Zugriff auf die eigentlich illegale Website. Neben Facebook und YouTube kann man so aber auch weitere verbotene Seiten besuchen, insbesondere auch die Blogspot- Domains, zu denen unser momentan genutztes Internetportal gehört. Mit etwas Mühe kann man also selbst im überwachten Syrien in den Genuss der politisch ungefilterten Nachrichten und Meldungen auf alsharq kommen.