Anlässlich des Fastenbrechens (Eid al-Fitr), der das Ende des Ramadan markiert, verkündete die jemenitsche Regierung am 19. September ein neues Waffenstillstandsangebot an die "Houthi"-Bewegung.
Seit etwa fünf Jahren wird die nordjemenitische Provinz Saadah von schweren Auseinandersetzungen erschüttert. Die so genannte "Houthi"-Bewegung, benannt nach ihrem 2004 getöteten Gründer Hussein Badreddin al-Houthi, sieht sich dabei selbst als legitimer Verteidiger der zaiditischen Schiiten, die den Jemen bis zu dessen Teilung 1962 regierten, heute aber nur 25% der Bevölkerung des südarabischen Staates ausmachen. Die Shabab al-Mu'minin (=gläubige Jugend), wie sich die "Houthis" selber bezeichnen, fordern kulturelle und religiöse Eigenbstimmung, während Staatspräsident Ali Abdallah Saleh ihnen Terrorismus vorwirft und die Hände des Iran im Spiel sieht.
Seit dem Ausbruch der Kämpfe kochte der Konflikt stets auf Sparflamme, zermürbte aber die gesamte ansässige Bevölkerung in der Provinz nördlich der Hauptstadt Sanaa und sorgte für ein Klima ständiger Instabilität, die das Armenhaus der Arabischen Halbinsel zusätzlich schwächten. Insgesamt fünfmal versuchten sich Regierungstruppen und Aufständische zu einem Frieden durchzuringen. Über Waffenstillstände kam man allerdings nie heraus, und selbst diese wurden regelmäßig gebrochen.
Unmittelbar nach der letzten gescheiterten Waffenruhe Mitte August 2009 schließlich eskalierten die Kämpfe und erreichten eine neue Stufe. Die jemenitische Armee startete eine Großoffensive und setzte ertsmals großflächig ihre Luftwaffe ein. Die humanitäre Situation der Zivilbevölkerung verschärfte sich daraufhin drastisch, ohne jedoch genügend internationalen Druck zu generieren, der die Regierung gezwungen hätte, die Flüchtlingsproblematik in die militärischen Planungen einzubeziehen. Erst am 2. September, nachdem die Vereinten Nationen einen Appell zur Errichtung eines huminitären Korridors veröffentlichten, erreichten internationale Hilfskräfte die Zivilbevölkerung. Insgesamt schätzt die UN, dass bis zu 150.000 Menschen durch die anhaltenden Kämpfe zu Flüchtlingen im eigenen Land geworden sind, allein 55.000 durch die jüngste Armeeaktion.
Diese Zugeständnisse hinderten allerdings beide Seiten nicht daran, den Kampf fortzusetzen, wenngleich die Kriegsführung der jemenitischen Truppen nun international durchaus kritischer beäugt wurde. Der Luftangriff auf das Dorf Adi, bei dem am 18. September 2009 etwa 80 Zivilisten zum Opfen fielen, wäre sonst vielleicht kaum bemerkt worden. So aber erregte der Vorfall einige Aufmerksamkeit und nötigte Präsident Ali Abdullah Saleh eine öffentliche Entschuldigung ab. Aus strategischer Sicht erwies sich der fehlgeleitete Beschuss als besonders schwerwiegend, schließlich handelte es sich bei den Opfern um sunnitische Stammesangehörige, die mit den staatlichen Truppen gegen die "Houthis" kämpften.
Dass die jemenitische Regierung nur einen Tag später einen neuen Waffenstillstand verkündete, mag diesen Umständen geschuldet sein. Die "Houthis" wiederum begrüßten in einer ersten Stellungnahme das Angebot und schlugen zugleich die zügige Aufnahme umfassender Friedensgespräche vor. Die Bedingungen sind in etwa die gleichen wie vor dem August 2009: Räumung von militärischen Posten, Waffenübergabe an die jemenitische Armee und Rückzug aus den besetzten Lokalverwaltungen. Damals wurde das Angebot ohne jegliche Diskussion abgelehnt, die heutige Reaktion erscheint, zumindest im Ton, sehr viel positiver.
Ob die jemenitische Regierung allerdings zu einem politisch-kulturellen Dialog bereit ist, wie er von der "Houthi"-Bewegung ursprünglich mal gefordert wurde, ist weiterhin unklar. Bisher rechtfertigte Ali Abdullah Saleh den Kampf gegen die "Houthi"-Rebellen als Kampf gegen den Terror - und kam international damit vergleichsweise ungeschoren davon. In der Tat gilt der Jemen in den letzten Jahren als neues Domizil für sunnitische Jihadisten. "Al-Qaida auf der Arabichen Halbinsel" hatte erst im August 2009 sein Hauptquartier in den Jemen verlegt und von dort aus wahrscheinlich den Anschlag auf den saudischen Antiterror-Chef Muhammad bin Nayef geplant. Dass die größte islamistische Bedrohung im Jemen aber nicht von den "Houthis", sondern von al-Qaida ausgeht, dürfte die Strategie der Regierung auf den Prüfstand stellen. Selbst die saudischen Nachbarn, die Salehs Grenzkrieg gegen die "Houthis" bislang vorbehaltlos unterstützten, dürften nun auf eine Prioritätenverschiebung drängen, schließlich kann die vergleichsweise schwache jemenitische Armee wohl kaum an zwei Fronten - gegen die "Houthis" und al-Qaida - bestehen und gibt letzterer eher den Freiraum ungestört zu agieren.