In Europa erfährt man von Prozessen gegen Vergewaltiger im Nahen Osten zumeist dann, wenn die Urteile gegen die Täter sehr mild ausfallen oder die Opfer selbst vom Gericht bestraft werden, weil sie die Tat durch ihr Handeln provoziert haben sollen. Nun hat jedoch ein Richter in Ägypten 10 Männer zum Tode und einen 17-Jährigen zu 15 Jahren Haft verurteilt, die 2006 eine 28-jährige Frau vergewaltigten. Das Kassationsgericht in Kafr al-Sheikh bestätigte damit ein Urteil vom Januar.
Die Täter waren im Januar 2006 mit Waffen in das Haus der jungen Frau im Dorf Hamarawy eingedrungen und entführten das Opfer. Auf einem Feld außerhalb des Dorfes wurde sie über Stunden vergewaltigt. Als Dorfbewohner auf die Vergewaltigung aufmerksam wurden, schossen die Männer um sich. Erst nach Stunden konnten die Täter, die selbst aus dem Ort im nördlichen Nildelta stammen, überwältigt werden. Einer der Vergewaltiger soll vor der Tat um die Hand der jüngeren Schwester des Opfers angehalten haben, sei aber abgewiesen worden. Als Rache habe er daraufhin mit Freunden die Tat geplant.
Richter Mukhtar Chalabi erklärte nach der Urteilsverkündung: "Hätten wir die Strafe reduziert, würden wir uns schweren Konsequenzen gegenüber sehen und andere würden diese Taten wiederholen. Die Zahl der Verurteilten ist keine Rechtfertigung für ihr Handeln - das Gegenteil ist der Fall."
Der Prozess gegen die "Wölfe", wie die Angeklagten in der Presse bezeichnet wurden, ist von der ägyptischen Öffentlichkeit mit großer Aufmerksamkein verfolgt worden. Die Zahl sexueller Übergriffe gegen Frauen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Nach Regierungsangaben werden pro Jahr knapp 20000 sexuell motivierte Straftaten in Ägypten registriert, etwa 55 pro Tag. Die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher liegen.
Die Gerichte haben die Täter bislang oft mit großer Nachsicht behandelt. Bis 1999 konnte der Vergewaltiger sogar straffrei ausgehen, wenn er sein Opfer nach der Tat heiratete. Seither wurden die Gesetze mehrfach reformiert. Dennoch wird das Urteil aus Kafr al-Sheikh in der ägyptischen Presse als Novum gefeiert.
Ägyptische Menschenrechtler reagierten unterschiedlich auf das Urteil. Während Feministinnen den Richterspruch wegen seiner abschreckenden Wirkung begrüßten, kritisierten andere Menschenrechtsgruppen, dass die unterschiedliche Tatbeteiligung der Verurteilten bei der Strafzumessung keine Rolle gespielt habe. Außerdem verweisen sie darauf, dass die Todesstrafe etwa für den Drogenhandel bislang auch keine abschreckende Wirkung gezeigt habe.