Im Gegensatz zum Vortag, als die Demonstranten in einem unstrukturierten Pulk marschierten, versuchen die ca. 200 Organisatoren der Veranstaltung die eintreffenden Demonstranten auf die drei Lautsprecherwagen zu verteilen. Kriterium ist dabei, wie etwa bei Kundgebungen der Hizb Allah im Libanon, das Geschlecht. So wird der Demonstrationszug von Frauen und Kindern angeführt, hinter dem dritten Wagen findet man fast ausschließlich Männer. Lediglich hinter dem zweiten Wagen, wo beispielsweise Anhänger der LINKEN, die als einzige Parlamentspartei mit Bannern Präsenz zeigt, und kleinerer kommunistischer Parteien versammelt sind und die internationale Solidarität einfordern, herrscht keine Geschlechtertrennung.
Inhaltlich unterscheiden sich die verwendeten Slogans und Plakate im Vergleich zum Vortag bis auf wenige Ausnahmen kaum. Israel wird als "Kindermörder" verdammt, die USA werden als zweiter Böser Bube der Weltpolitik bezeichnet und Deutschlands "parteiische Haltung im Konflikt" wird kritisiert. Dagegen werden die bei Demonstrationen in der arabischen Welt scharf kritisierten arabischen Regime, insbesondere Ägypten, mit keinem Wort in die Verantwortung genommen. Das palästinensische Leid wird auf einigen Plakaten mit einem Genozid beziheungsweise dem Holocaust gleichgesetzt. Außer einem Banner mit einer Friedenstaube des Ortsvereins der LINKEN im Wedding finde ich keine weiteren versöhnlichen Symbole.
Noch mehr als am Vortag dominieren jedoch islamische Ausrufe den Protestmarsch. Ein kompaktes Grüppchen am Ende des Zuges fällt durch seine schwarzen Fahnen auf, auf denen die Schahada, das islamische Glaubensbekenntnis, mit weißen Lettern geschrieben steht. Die etwa 30 jungen Männer beschränken sich auf islamische Leitsprüche und fordern die Wiedererrichtung des islamischen Kalifats, das heißt, dass die weltliche und geistliche Führerschaft in der Person des Kalifen vereint werden soll. Nach etwa drei Stunden hat auch die Polizei begriffen, dass die Forderung nach einer derartigen Staatsform verfassungswidrig sein könnte und versucht die Gruppe vom Rest der Demonstranten zu isolieren. Dieser Versuch führt zu einem kurzen Handgemenge, die Situation beruhigt sich jedoch schnell.
Nach der Abschlusskundgebung am Potsdamer Platz - die Polizei hat den Verlauf der Demonstration kurzfristig verändert, um die amerikanische und englische Botschaften zu umgehen - unterhalte ich mich mit einigen Demonstranten. Viele zweifeln daran, dass man mit dem Protestmarsch Sympathien in der deutschen Bevölkerung habe wecken können, da das Auftreten der Demonstranten aggressiv und unversöhnlich gewesen sei und durch die islamischen Ausrufe einen ausschließenden Charakter bekommen habe.
Hier noch einige Bilder und kurze Videos von der Demo: