"Waltz with Bashir" ist ein großartiger, ein sehenswerter und bedrückender Film. Und er ist bahnbrechend, nämlich der erste animierte Dokumentarfilm. Regisseur Ari Folman erzählt darin semi-biographisch seine Erlebnisse und die seiner Freunde während des Ersten Libanonkriegs 1982.
[[{"type":"media","view_mode":"media_large","fid":"1065","attributes":{"class":"media-image","typeof":"foaf:Image","height":"349","width":"425","style":""}}]]
Alles fängt damit an, dass ein Freund Folmans mehr als 20 Jahre nach dem Krieg Nacht für Nacht von einem Alptraum heimgesucht wird, der im Zusammenhang mit seinem Einsatz im Libanon steht. Folman selbst wird plötzlich bewusst, dass er jegliche Erinnerung an den Krieg verloren hat.
Er begibt sich auf Spurensuche, befragt Klassenkameraden, ehemalige Soldaten mit denen er in den Krieg zog, eine Psychologin und einen Journalisten der damals vom Krieg berichtete. DieseInterviewpartner berichten wiederum von ihren Erinnerungen und ihren Alpträumen, die sie bis heute quälen. In der Originalversion sprechen sieben der neun Zeugen selbst, ihre Figuren sind jedoch gezeichnet.
Der Film zeigt eindrucksvoll die Naivität und Unbedarftheit mit der die jungen Soldaten, kaum 20 Jahre alt, in den Krieg zogen. "Wir gingen in Rosh Hanikra über die Grenze, als wäre es ein Urlaub", sagt einer der Kameraden, die Folman befragt. In ihrer Ausbildung wurden die Männer zwar aufs Töten vorbereitet, aber nicht darauf Kameraden sterben zu sehen.
Im Kern bewegt Folman eine zentrale Frage: "Wo war ich beim Massaker von Sabra und Shatila?" In den beiden palästinensischen Flüchtlingslagern wurden im September 1982 unter den Augen der israelischen Armee mehr als 1000 Palästinenser, zumeist Zivilisten, von libanesischen Falangisten, einer christlichen Miliz, die mit Israel verbündet war, ermordet.
Zuvor war der Anführer der Falange, Bashir Gemayel, der gewählte Präsident des Libanon, bei einem Anschlag ums Leben gekommen, wofür jedoch höchstwahrscheinlich gar keine palästinensische Gruppe verantwortlich war. Jener Bashir Gemayel ist es übrigens, der dem Film seinen Titel gibt.
Bis ins Detail ist der Film handwerklich hervorragend gemacht. Straßenzüge in Beirut und auch der Flughafen sind sind so animiert, dass man sie sofort wiedererkennt. Daneben nimmt der Film die quasi-religiöse, fast schon erotische, Verehrung Bashir Gemayels durch seine Anhänger aus Korn, die auch heute noch unter libanesischen Christen verbreitet ist.
Im Unterbewusstsein wirft sich Folman, dessen Eltern in Auschwitz waren, vor, in Sabra und Shatila selbst zum Nazi geworden zu sein. Schließlich kommt die Erinnerung daran zurück, dass er einer der israelischen Soldaten war, die die Leuchtraketen abfeuerten, die den Himmel erhellten und den Falangisten das Morden ermöglichten.
Der Film benennt sehr deutlich den damaligen israelischen Verteidigungsminister Ariel Sharon als Mitschuldigen an dem Massaker. Er wurde frühzeitig von dem Rachefeldzug der Falangisten und ihrem blindwütigen Morden informiert, unternahm jedoch nichts um dem ein Ende zu bereiten.
"Waltz with Bashir" endet mit den einzigen realen Filmaufnahmen des gesamten Films. Zu sehen sind Bilder, die ein israelischer Fernsehjournalist von den Opfern des Massakers gemacht hat - in ihrer drastischen Grausamkeit nur schwer zu ertragen.