Jeden Sonntag Nachmittag öffnen sich die Pforten für eine der ältesten kulturellen Veranstaltungen Beiruts - dem Pferderennen im Hippodrom.
Bereits 1885 eröffnete im heute nahe dem Flughafen gelegenen südlichen Vorort Bir Hassan eine Rennbahn für Pferdesport. 1918 schließlich zog man in das bis heute genutzte Hippodrom um, das direkt an den weitläufigen Stadtpark angrenzt. Die Tricolore, die von der unmittelbare daneben gelegenen französischen Botschaft weht, erinnert an den historischen Standort des Hippodroms: Von der "Résidence des Pins" aus rief der französische Hochkomissar Gouraud 1920 den Groß-Libanon aus. Besagte Pinien schmücken bis heute den Innenbereich des Hippodroms, das im Übrigen auch jedes Jahr im Sommer Schauplatz einer internationalen Gartenschau ist.
Der andere Teil des Innenbereiches wird von einem riesigen Parkplatz eingenommen, auf dem hunderte Service-Taxis auf den treuesten Kundenstammm des Beiruter Pferderennens schließen lassen. Junge Menschen sind hier eindeutig in der Unterzahl, ebenso Frauen. Auf einer winzigen VIP-Tribüne lassen sich gut ein Dutzend wohlhabende Beirutis bedienen, sie sind jedoch wohl nur hier, weil sie zumeist die auflaufenden Pferde besitzen. Im Großen und Ganzen ist das Pferderennen eine Veranstaltung des kleinen Mannes, mehr Karlshorst denn Ascott.
Nach kritischer Begutachtung der Pferde und Jockeys vor jedem Rennen eilen die eifrigen Wetter unter den Zuschauern zu den Wettkabinen. Auch uns packt jetzt das Wettfieber und wir studieren die Namensliste des nächsten Rennens. Ich platziere 3000 Lira (ca. 2$) auf das Pferd mit dem schönen Namen Sham'at Lubnan (Kerze des Libanon)im 3. Lauf, doch gehe leider leer aus. Immerhin gewinnen meine Begleiter im nächsten Rennen knapp 20.000 Lira, als der Außenseiter Kisrewan (benannt nach der Region im Libanongebirge) im Fotofinish die Ziellinie überquert. Großer Jubel brandet um uns herauf, offensichtlich haben viele hier auf das Pferd mit dem patriotischen Namen gesetzt. Bald legt sich die Euphorie wieder und die Pferdefreunde widmen sich schon dem nächsten Rennen, und so wird es bis zum Sonnenuntergang wohl weitergehen.
25.10.2008
Ein Sonntag in Beirut - im Hippodrom