17.11.2007
Präsidentschaftswahl im Libanon - Die Kandidaten

Der maronitische Patriarch Nasrallah Boutros Sfeir hat dem libanesischen Parlamentssprecher Nabih Berri und dem Mehrheitsführer im Parlament, Saad Hariri, seine Liste mit den Präsidentschaftskandidaten übergeben. Aus den dort angegebenen Namen sollen Berri und Hariri bis zum Wahltag am kommenden Mittwoch einen oder mehrere Bewerber auswählen, die sich den 128 Abgeordneten der Nationalversammlung zur Wahl stellen. Offiziell soll die Kandidatenliste bis dahin unter Verschluss gehalten werden, allerdings kursieren in den libanesischen Tageszeitungen vom Samstag Gerüchte über die von Sfeir nominierten Kandidaten.

Gegenwärtig werden in Beirut drei verschiedene Versionen der Bewerberliste verbreitet. Diese haben die Gemeinsamkeit, dass in jedem Fall davon ausgegangen wird, dass mit Nassib Lahoud und Boutros Harb die beiden offiziellen Kandidaten des Regierungslagers und mit Michel Aoun die christliche Führungsfigur der Opposition von Patriarch Sfeir nominiert wurden.

Die französische Nachrichtenagentur AFP berichtet unter Berufung auf einen namentlich nicht genannten libanesischen Offiziellen, dass der Patriarch drei weitere Namen als mögliche Kompromisskandidaten auf die Liste gesetzt habe. Diese seien Robert Ghanem, Joseph Tarabay und Damianos Kattar.

Eine andere Version liefert die heutige Ausgabe der Zeitung "as-Safir". Demnach habe Nasrallah Sfeir neben Lahoud, Harb, Aoun und Ghanem noch Michel Eddé und Michel Khoury nominiert. "al-Akhbar" berichtet gar von 12 Namen, die an Berri und Hariri weitergreicht wurden. Diese 12 Kandidaten seien in vier Gruppen eingeteilt.

Die erste Gruppe umfasst demnach die Spitzenpolitiker Aoun, Harb und Lahoud. In Gruppe 2 befänden sich die Konsenskandidaten Ghanem, Khoury, Eddé sowie Faris Boueiz und Pierre Daccache. In der dritten Gruppe wurden Wirtschaftsexperten zusammengefasst, namentlich Tarabay, Kattar und Riad Salameh. Die vierte Gruppe mit der Bezeichnung "Militär" besteht nur aus einer Person, nämlich Armee-Chef Michel Suleiman.

Hier einige Kurzportraits der Kandidaten in alphabetischer Reihenfolge:

  • Michel Aoun wurde 1935 in Haret Hreik, einem Vorort von Beirut geboren. 1983 stieg Aoun inmitten des libanesischen Bürgerkriegs zum Oberbefehlshaber der libanesischen Streitkräfte auf. 1988 ernennt ihn der damalige Staatspräsident Amin Gemayel zum Ministerpräsidenten - ein Verstoß gegen den Nationalpakt von 1943, der dieses Amt den Sunniten vorbehält. Es bilden sich zwei konkurrierende Regierungen. 1989 erklärt Aoun Syrien, das mit seiner Armee Stück um Stück den Libanon besetzt, den Krieg. Das Taif-Abkommen, das den Bürgerkrieg beendet und Syriens Rolle als Ordungsmacht festschreibt wird von Aoun abgelehnt. Im Oktober 1990 flieht Aoun vor der syrischen Armee ins Exil nach Frankreich. Wenige Tage nach dem Abzug der Syrer kehrte Aoun am 7.Mai 2005 nach Beirut zurück. Bei den Parlamentswahlen im gleichen Jahr wird seine "Freie Patriotische Bewegung" stärkste christliche Fraktion im Parlament. Im Februar 2006 schließt Aoun überraschend ein Bündnis mit der von Syrien unterstützten Hizbollah. In dem gemeinsamen Memorandum fordern FPM und Hizbollah eine Demarkation der syrisch-libanesischen Grenze, Aufklärung über das Schicksal libanesischer Gefangener in Syrien, sowie den Austausch von Botschaftern zwischen beiden Ländern. Die Hizbollah dürfe so lange Waffen tragen bis die Shebaa-Farmen befreit und sämtliche libanesischen Häftlinge aus israelischen Gefängnissen befreit seien. Eine Umsetzung der UN-Resolution 1559, die die Entwaffung der Hizbollah fordert, sei nur durch einen inner-libanesischen Dialog möglich und könne nicht von außern erzwungen werden. Innenpolitisch setzt sich Aoun für eine entschiedene Bekämpfung der Korruption, sowie eine Stärkung der Armee ein. Staatseigene Unternehmen wie die Fluggesellschaft MEA und die Elektrizitätswerke sollen privatisiert werden. Mittelfristig wird eine Aufnahme in die Welthandelsorganisation angestrebt.
  • Faris Boueiz wurde 1955 in Beirut geboren. Der studierte Jurist war von 1992 bis 1998 libanesischer Außenminister. 2003 ernannte ihn Rafiq Hariri zum Umweltminister, dieses Amt gab er jedoch Ende 2004 aus Protest über eine erneute Amtszeit von Staatspräsident Emile Lahoud auf. Bis 2005 saß der Schwiegersohn des ehemaligen libanesischen Präsidenten Elias Hrawi für den Wahlkreis Kesrwan im Parlament. Bei den Wahlen 2005 trat Boueiz nicht mehr an, forderte er seine Anhänger auf, für das Bündnis von Michel Aoun zu stimmen. Boueiz ist entschiedener Gegner syrischen Einflusses auf die libanesische Politik und Befürworter des Hariri-Tribunals. Über die Frage der Bewaffnung der Hizbollah könne nur in einem inner-libanesischen Dialog entschieden werden.
  • Pierre Daccache wurde 1928 geboren. Der Mediziner zug 1972 erstmals in die libanesische Nationalversammlung ein. Aus Protest gegen die syrische Besatzung rief er zu einem Boykott der ersten Parlamentswahlen nach dem Bürgerkrieg 1992 auf. Vier Jahre später gewann er sein Mandat in einem Wahlbündnis mit der Hizbollah zurück. Im Jahr 2000 verpasste er den Einzug in die Nationalversammlung ebenso wie 2005 als er für Aouns FPM antrat. Im Jahr 2006 zog Daccache dennoch als Nachrücker für den verstorbenen Edmond Naim, ein Mitglied der Lebanese Forces, ins Parlament ein. Seither ist er unabhängiger Abgeordneter, der sich um Distanz zu beiden Lagern bemüht.
  • Michel Eddé wurde 1928 in Beirut geboren. Der studierte Jurist trat bereits 1966 seinen erste Ministerposten an. Seither war er immer wieder in verschiedenen Regierungen als Kabinettsmitglied tätig, zuletzt zwischen 1992 und 1996 als Kulturminister unter Premier Rafiq Hariri. Von 2003 bis 2007 war der enge Vertraute von Patriarch Nasrallah Sfeir Vorsitzender der Maronitischen Liga. Daneben ist Eddé seit 1990 Heruasgeber der wichtigsten französisch-sprachigen Tageszeitung des Libanon, L' Orient Le-Jour. Aus der aktiven Politik hat sich Eddé in den letzten Jahren zurückgezogen, gerade deshalb könnte er ein Kompromisskandidat sein.
  • Robert Ghanem wurde 1942 im Dorf Saghbine in der westlichen Bekaa-Ebene geboren. Seit 1992 ist der Jurist Parlamentsabgeordneter, zwischen 1995 und1996 war er kurzzeitig Bildungsminister unter Rafiq Hariri. Bei den Präsidentschaftswahlen 2004 wollte Ghanem ursprünglich gegen Emile Lahoud antreten, Hariri soll ihn jedoch zu Rücknahme seiner Kandidatur überredet haben. Bei den Parlamentswahlen 2005 trat Ghanem erfolgreich für das Regierungsbündnis "14.März", das damals auch noch von Amal und Hizbollah unterstützt wurde. In den letzten Monaten ist Ghanem bemüht sich der Opposition als akzeptabler Kandidat zu präsentieren. Bilder auf seiner Homepage zeigen ihn demonstrativ mit dem wichtigsten schiitischen Gestlichen im Libanon, Ayatollah Fadlallah, sowie mit Nabih Berri. Der Konflikt mit der Hizbollah und Syrien müsse im Konsens gelöst werden, so Ghanem. Wirtschaftspolitisch nennt Ghanem den Schuldenabbau als dringlichste Aufgabe.
  • Boutros Harb wurde 1944 in Tannourine im Nordlibanon geboren. Der Jurist wurde 1972 erstmals ins libanesische Parlament gewählt. In den Jahren 1979/1980 war er Bildungs- und Transportminister, zwischen 1990 und 1992 übernahm er unter Ministerpräsident Omar Karame erneut das Bildungsressort. In den 90er Jahren befand sich Harb stets in Opposition zu den Regierungen unter Rafiq Hariri. 1998 wollte er Emile Lahoud herausfordern, am Tag der Präsidentschaftswahl zog er seine Kandidatur jedoch kurzfristig zurück. Nach dem Mord an Hariri schließt sich Harb der anti-syrischen Bewegung an. Bei den Wahlen 2005 zieht er für die Kräfte des 14.März ins Parlament ein. Harb ist lautstarker Befürworter einer Entwaffung der Hizbollah.
  • Damianos Kattar wurde 1960 in Jezzine geboren. Im Jahr 2005 war er kurzzeitig Finanzminister unter Ministerpräsident Najib Miqati. Der anerkennte Ökonom ist für zahlreiche Unternehmen als Berater tätig. Politisch ist Kattar bislang recht unerfahren, als jüngster der Kandidaten könnte er jedoch einen Generationswechsel in der libanesischen Politik einleiten. Kattar verfügt über gute Kontake sowohl zur Regierung als auch zur Opposition.
  • Nassib Lahoud wurde 1944 in Baabda, passenderweise dem Ort in dem der Präsident residiert, geboren. Der Ingenieur führt mit Lahoud Engineering eines der erfolgreichsten Unternehmen des Nahen Ostens. 1990 wurde Lahoud, der weitläufig mit dem jetzigen Präsidenten verwandt ist, zum libanesischen Botschafter in den USA ernannt. 1991 zog Lahoud ins Parlament ein, seinen Sitz konnte er bis 2005 in den Parlamentswahlen stets verteidigen. 2001 war Lahoud einer der Mitbegründer der "Demokratischen Erneuerungsbewegung" zu der sich 50 libanesische Intellektuelle zusammenschlossen. Nach dem Attentat auf Rafiq Hariri schloss er sich der anti-syrischen Bewegung an. Bei den Parlamentswahlen 2005 erlitt Lahoud eine empfindliche Niederlage als er gegen einen Kandidaten von Aouns FPM unterlag. Für Aufregung sorgte in den vergangenen Wochen ein Bericht in "al-Akhbar" in dem Lahoud beschuldigt wird in den 1960ern Mitglied in der pro-syrischen Miliz "al-Saiqa" gewesen zu sein. Der Politiker wies die Anschuldigungen zurück, obwohl al-Akhbar eine Kopie seines Mitgliedsausweises veröffentlichte. Als Präsident will Nassib Lahoud die Rolle des Amtes im politischen System seines Landes stärken. Das Gewaltmonopol des Staates soll auf das gesamte Staatsgebiet ausgeweitet, die Hizbollah entwaffnet werden. Das Wahlrecht will Lahoud von 21 auf 18 herabsetzen und eine Frauenquote einführen. Wirtschaftspolitisch setzt Lahoud auf mehr Transparenz und eine stärkere Einbindung Libanons in den Mittelmeerhandel.
  • Riad Salameh ist seit 1993 Chef der libanesischen Zentralbank. In diesen Jahren galt er als enger Vertrauter von Rafiq Hariri. Unter Wirtschaftsfachleuten genießt Salameh großes Ansehen, da es ihm gelungen ist, Devisenreserven aufzubauen und die libanesische Lira ungeachtet der Krisen der vergangenen Jahre und des Sommerkriegs 2006 zu stützen. Im vergangenen Jahr wurde Riad Salameh deshalb von US-Magazin Euromoney zum Zentralbanker des Jahres 2006 gekürt. Allerdings müsste die libanesische Verfassung geändert werden, damit Salameh Präsident werden kann, da es einem öffentlichen Bediensteten seines Ranges nicht gestattet ist für das Amt zu kandidieren. Gerade das Regierungslager hat eine solche Verfassungsänderung bislang stets abgelehnt.
  • Michel Suleiman wurde 1948 in Amchit geboren. Nach einer erfolgreichen Miltärlaufbahn wurde Suleiman 1998 in der Nachfolge des jetzigen Präsidenten Emile Lahoud zum Chef der libanesischen Streitkräfte ernannt. Im vergangenen Jahr hielt er die Armee aus den Kampfhandlungen zwischen der Hizbollah und der israelischen Armee heraus. Einen Prestigegewinn konnte der General in diesem Jahr durch die Niederschlagung der Fatah al-Islam im palästinensischen Flüchtlingslager Nahr al-Barid verzeichnen. Bei den Unruhen im Januar dieses Jahres gelang es ihm als Armee-Chef die Zusammenstöße zwischen Regierung und Opposition ohne greoßes Blutvergießen einzudämmen. Suleiman sieht sich selbst als Kompromisskandidat, dem es vorrangig darum geht die Einheit der libanesischen Armee zu sichern. Auch für seine Wahl zum Präsidenten müsste zunächst die Verfassung geändert werden.
  • Joseph Tarabay ist der unbekannteste der genannten Kandidaten. In den 1990ern war er für die Einziehung der Einkommenssteur im Finanzministerium verantwortlich. Tarabay ist Vorsitzender der Arabischen Banken-Union, sowie der Vereinigung libanesischer Banken. Seit diesem Jahr ist er zudem Vorsitzender der Maronitischen Liga. Politisch ist Joseph Tarabay ein weitgehend unbeschriebenes Blatt, aus diesem Grund gilt er als Kompromisskandidat.

Auf der Grundlage dieser kleinen Präsentation die Frage an die Leser: Wer sollte eurer Meinung nach neuer Präsident des Libanon werden? Oben rechts in der Sidebar könnt ihr abstimmen. Das interaktive Wahllokal bleibt bis Mittwoch 9Uhr MEZ geöffnet, dann nämlich soll sich das libanesische Parlament zur Wahl versammeln.