22.10.2007
Libanon: Präsidentschaftswahl erneut vertagt

Parlamentssprecher Nabih Berri hat die Präsidentschaftswahl im Libanon erneut verschoben - neuer Termin ist nun der 12.November. Ursprünglich hätte sich das Parlament morgen zu Wahl versammeln sollen. Da sich aber Regierung und Opposition immer noch nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten haben verständigen können, will Berri beiden Seiten mehr Zeit für einen Kompromiss einräumen.

Nach der libanesischen Verfassung muss der neue Präsident im ersten Wahlgang mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit von der Nationalversammlung gewählt werden. Sollte kein Kandidat die erforderliche Stimmenzahl erhalten, genügt in einem weiteren Wahlgang die absolute Mehrheit. Dies wäre ein Novum in der Geschichte der libanesischen Republik, in der bislang jeder Präsident mit Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt wurde.

Beim ersten Versuch einen Nachfolger den Präsident Emile Lahoud zu küren, wurde die Parlamentssitzung am 25.September von Teilen der Opposition boykottiert, woraufhin Parlamentssprecher Berri, selbst ein führender Kopf des Oppositionslagers, die Wahl zunächst auf morgen vertagte.

Im Ringen um einen Kompromiss hat es in den vergangenen Wochen zahlreiche Gespräche zwischen Regierung und Opposition gegeben, jedoch ohne Durchbruch. Berri traf sich mehrmals mit dem Mehrheitsführer im Parlament Saad Hariri und gestern führten zwei der wichtigsten christlichen Politiker der beiden Lager, Amin Gemayel und Michel Aoun, ein mehrstündiges Gespräch. Greifbare Ergebnisse blieben aus, gleichwohl betonten beide Seiten die Unterredungen fortsetzen zu wollen.

Unter der Schirmherrschaft des maronitischen Patriarchen Nasrallah Sfeir finden heute weitere Gespräche in Bkirki statt, dem Sitz des Kardinals. Ziel ist es, dass sich die verschiedenen christlichen Parteien auf einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten aus ihren Reihen einigen. Gemäß der libanesischen Verfassung muss das Staatsoberhaupt des Libanon ein maronitischer Christ sein.

Für Unruhe sorgten in den vergangenen Wochen aufgetauchte Berichte, nach denen die verschiedenen Parteien am Aufbau neuer Milizen arbeiteten. So tauchten Bilder von Anhängern Michel Aouns auf, die offenbar ein militärisches Training absolvierten. Ähnliche Aufnahmen kursieren von Anhängern Saad Hariris, sowie der ebenfalls sunnitischen Murabitun.

Hizbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah forderte in der Zwischenzeit den Präsidenten direkt vom Volk wählen zu lassen. In seiner Rede anlässlich des Jerusalem-Tags am 5.Oktober erklärte Nasrallah, nur so sei eine Wahl frei von ausländischer Einflussnahme garantiert. Die Regierungsseite wies diesen Vorschlag umgehend zurück, da er gegen das Abkommen von Taif verstoße, der mit der Bürgerkrieg 1989 beendet wurde. Ein weiterer Grund für die ablehnende Haltung der Regierung dürfte freilich sein, dass nach der momentanen Stimmungslage ein Sieg des christlichen Oppositionsführers Michel Aoun sehr wahrscheinlich wäre.

Drusenführer Walid Jumblatt traf sich unterdessen gestern in Wahington mit US-Vize-Präsident Dick Cheney. Zuvor war er Gast bei Wolf Blitzer in der CNN-Sendung "Late Edition". Jumblatt, bis 2005 ein treuer Gefolgsmann Syriens und Verbündeter der Hizbollah, zeigte sich überzeugt, dass Syrien und die Hizbollah hinter den Anschlägen auf Parlamentsabgeordnete des Regierungslagers steckten.

Noch vor vier Jahren hatte Jumblatt Angriffe auf die US-Armee im Irak begrüßt und George Bush einen "verrückten Imperator" genannt. Nach dem Columbia-Unglück erklärte er: "Meine Freude über die Columbia-Katastrophe war groß, weil ein israelischer Astronaut ums Leben kam oder ein jüdischer Astronaut - das macht keinen Unterschied."