Als wir unseren libanesischen Freunden am Freitag von unserer Abendplanung berichten ernten wir entweder ein verschämtes Kichern oder schallendes Gelächter - das "Acid" gilt als der Schwulentreff unter Beiruts Diskotheken, vor einem Besuch dort werden wir regelrecht gewarnt. Simon, der uns übers Wochenende aus Damaskus besuchen kommt, hält einen Abend im "Acid" jedoch für jeden Beirut-Besucher für ein absolutes Muss.
Also stehen wir um kurz vor Mitternacht vor dem Club im Beiruter Stadtteil Sinn el-Fil, gerade rechtzeitig um in den Genuss des verlockenden Sondertarifs zu gelangen, der da lautet: "Für umgerechnet 10 Euro sind die ganze Nacht lang alle Getränke umsonst." Neben dem Eintrittsgeld lassen einige Besucher auch gleich noch ihre mitgebrachte Pistole am Tresen zurück.
Die Musik im Acid ist sehr laut und sehr elektrisch, die Gäste zum Teil sehr extrovertiert. Wir bilden als nicht Drogen konsumierende, heterosexuelle Ausländer zwar in vielerlei Hinsicht eine Minderheit haben aber dennoch unseren Spaß, der Alkohol tut sein Übriges.
Am Sonnabend machen wir uns dann ein Bild davon, welch verheerenden Auswirkungen die Belagerung von Beirut Downtown durch die libanesischen Oppositionsanhänger hat. Der Besucher des Viertels muss sich seinen Weg durch die Zeltstadt der Protestierenden bahnen, die Kunden bleiben weg, viele Geschäfte in den piekfeinen Straßen sind seit Wochen geschlossen. Auf den fünf Etagen des Virgin Megastores am Märtyrerplatz verlieren sich am Samstag Nachmittag genau sechs Kunden. Der Sicherheitsmann am Eingang freut sich über jeden Rucksack den er durchsuchen kann, die etwa 20 gelangweilten Mitarbeiter vertreiben sich die Zeit mit Zeitung lesen oder sinnlosem Rumstehen. Wie lange das nocht gut gehen soll, weiß niemand.
Ein ähnliches Bild dann am Abend im Ausgehviertel um die Rue Monot, die nur einen Steinwurf von den ersten Zelten entfernt verläuft. Schon um halb Zwei werden hier bildlich gesprochen die Bürgersteige hochgeklappt und ein beeindruckender Konvoi an Autos der Marken Mercedes, Chrysler und Hummer rollt in Richtung der Beiruter Vororte. Viele Laden- und Kneipenbesitzer haben an die Türen oder über die Tresen den Slogan "Keine Politik" gehängt um Streitigkeiten unter den Gästen zu verhindern.
Natürlich berichten auch die zehlreichen arabischen Sportsender in großer Ausführlichkeit von der Handball-WM. Die al-Jazeera-Reporterin in Köln interviewt in der Halbzeitpause des WM-Finals eine Gruppe ziemlich geschmacklos gekleideter deutscher Fans, die man sich eigentlich nicht als Botschafter gegenüber der Arabischen Welt wünscht. Während des Spiels gerät der Reporter ein ums andere Mal über die Leistung von "al-Mannschaft" im Allgemeinen und "Jansen Torsten" im Besonderen in Verzückung.
Überhaupt hat man als Deutscher im Libanon nach wie vor einen ziemlich guten Stand, auch wenn es Gerüchte gibt, im Vorfeld des Prozesses gegen die "Kofferbomber" versuche die Familie eines der Angeklagten einen oder mehrere Deutsche, am liebsten Diplomaten, zu entführen um so die Freilassung ihres Angehörigen zu erreichen.
Ab und zu wissen Libanesen jedoch auch Abenteuerliches über Deutschland zu berichten. So klärt uns ein Taxifahrer auf, dass auf den deutschen UNIFIL-Schiffen, die vor der libanesischen Küste Waffenlieferungen an die Hizbollah unterbinden sollen, stets israelische Generäle stationiert seien, die pausenlos damit beschäftigt sein sollen den Libanon auszuspionieren und dessen Fischer zu drangsalieren. Wirklich erstaunt ist unser Chauffeur darüber nicht, er hat auch gar nichts anderes erwartet, schließlich sei mit Angela Merkel eine Jüdin Bundeskanzlerin.