Eine neue Studie zeigt, dass das politische System des Libanon überholt ist und die Konfessionsgruppen des Landes nicht angemessen im Parlament repräsentiert werden. Nach Angaben des Statistikers Yussuf al-Duwaihi stellen die Christen nur noch 35% der Bevölkerung.
Dies geht aus einer Untersuchung hervor, die am Monat von der Beiruter Tageszeitung "an-Nahar" veröffentlich wurde.
Nach dem Abkommen von Taif, das nach dem Bürgerkrieg 1990 geschlossen wurde und die Grundlage für das derzeitige politische System des Zedernstaats bildet, stehen den Christen im Libanon 50% der Parlamentssitze zu. Momentan sind sie mit 64 Abgeordneten in der Nationalversammlung vertreten. Ihnen stehen 64 muslimische Volksvertreter gegenüber, die jedoch 64% der libanesischen Bevölkerung repräsentieren. Folglich vertreten die christlichen Mandatsträger 35% des libanesischen Volkes, ihre in gleicher Zahl vertretenen muslimischen Kollegen jedoch 65%.
Die neu erhobenen Zahlen sind deshalb besonders brisant, weil der letzte offizielle Zensus während der französischen Mandatszeit 1932 erhoben wurde. Damals stellten die Christen mit 55% noch die absolute Mehrheit der libanesischen Bevölkerung. Bis 1990 stellten die Christen nach dem "Nationalen Pakt" von 1943 daher auch die Mehrheit im Parlament.
Duwaihis Zahlen beruhten nach eigenen Angaben auf der Untersuchung von Personalausweisanträgen und Wählerlisten. Insgesamt leben demnach 4855067 libanesische Bürger im Zedernstaat. Keine Berücksichtigung fanden hierbei die etwa 400000 palästinensischen Flüchtlinge sowie zehntausende syrische Gastarbeiter.
Zahlenmäßig stärkste christliche Konfession sind noch immer die Maroniten zu denen sich fast jeder 5. Libanese bekennt und die laut Verfassung den Staatspräsidenten stellen. Knapp 7% der Libanesen sind orthodoxe Christen.
Unter den muslimischen Glaubensrichtungen sind Sunniten und Schiiten fast gleichstark im Libanon vertreten.Duwaihis Studie zufolge bekennen sich 29,6% der Libanesen zum sunnitischen Islam, 29,5% sind Schiiten. In der Verfassung ist festgelegt, dass der Regierungschef Sunnit, der Parlamentssprecher jedoch schiitischer Muslim sein muss. Nach dem Abkommen von Taif werden auch die 5% Drusen der muslimischen Bevölkerungsgruppe zugeordnet.
Das Ungleichgewicht in der Vertretung von Christen und Muslimen im libanesischen Parlament liefert all jenen neue Munition, die ohnehin eine Abkehr vom konfessionalistischen Wahlsystem fordern. Eine Novellierung dieser Bestimmungen könnte schon in Kürze auf der Tagesordnung stehen. Nach dem Rücktritt von mittlerweile sechs prosyrischen Ministern aus der Regierung von Premierminister Fuad Siniora könnte es schon bald Neuwahlen geben.