Londonistan - dieses Schlagwort wurde Mitte der 90er von französischen Terrorexperten geprägt, spätestens seit den Terroranschlägen vom 7.Juli 2005 ist es in aller Munde. Das gleichnamige Buch der Journalistin Melanie Phillips wird kontrovers diskutiert. Das Buch beschreibt sehr zugespitzt die Entwicklung einzelner Stadtteile der britischen Hauptstadt hinzu islamischen Gegengesellschaften infolge einer kaum kontrollierten Zuwanderung aus der islamischen Welt und der passiven Haltung der britischen Mehheitsgesellschaft und den Behörden. Die Netzwerke der zahlreichen Moscheen, Vereine und islamistischen Zirkel böten einen idealen Nährboden für den so genannten "Homegrown Terrorism", argumentiert die Autorin weiter.
Einer der Stadtteile mit großem muslimischen Bevölkerungsteil ist das Londoner Eastend. Traditionell ein Arbeiterstadtteil - bis zum 2.Weltkrieg das Wohnquartier vieler jüdischer Familien - fanden hier seit den 1960ern viele Immigranten billigen Wohnraum. Zuwanderer vom indischen Subkontinent prägen das Straßenbild, viele von ihnen tragen den traditionellen Salwar Kameez. Der Anteil der Frauen, die auch ihr Gesicht verschleiern, ist sehr hoch. Straßenschilder sind in der Regel zweisprachig, Englisch und Bengali.
Als heute der Muezzin der East London Mosque zum Gebet ruft, folgen hunderte Männer aus den umliegenden Straßen seinem Ruf. Auch einige Frauen eilen durch einen separaten Eingang zum Gebet. Ein Buchladen, der in dem gleichen Backsteinbau angesiedelt ist, vertreibt ein umfangreiches Angebot an islamischer Literatur, sortiert nach den Sprachen Englisch, Arabisch, Urdu und Bengali. Die Bandbreite des Sortiments reicht von Ibn Taimiyya über Muhammad Abduh und Sayyid Qutb bis zu Tariq Ramadan. Außerdem verkauft der Laden ein T-Shirt mit der Aufschrift "Islam - The Religion of Peace".
Der Ruf des Muezzins beendet meinen Besuch. "Bruder, es ist Zeit für das Gebet. Wir schliessen.", bittet mich der Verkäufer hinaus. In einem anderen Buchladen wenige hundert Metrer weiter finde ich neben Biographien des getöteten al-Qaida-Führers im Irak, Abu Musab al-Zarqawi auch eine arabische Ausgabe von Adolf Hitlers "Mein Kampf".
Auf die Bedürfnisse der muslimischen Kunden haben sich in den Strassen um die Whitchapel-Street und die Brick Lane nicht nur die zahllosen Kebab-Läden eingerichtet. Auch die Pizzabuden und chinesischen Nudelbräter in Banglatown verweisen in ihren Schaufenstern darauf, dass die von ihnen angebotenen Speisen "halal" sind und somit Genuss ohne Reue garantieren.