Israel und Palästina stehen in diesen Wochen ganz im Zeichen der jüdischen Feiertage Rosch Haschana und Yom Kippur sowie des muslimischen Fastenmonats Ramadan. Deshalb folgen in den nächsten Tagen meine ganz persönlichen Erlebnisse während dieser Feiertage...
Rosch HaSchana ( zu deutsch Kopf des Jahres) ist das jüdische Neujahrsfest, welches nach dem jüdischen Kalender auf den 1.Tischri und folglich nach dem gregorianischen Kalender auf Ende September beziehungsweise in die erste Hälfte des Oktober fällt. In diesem Jahr ist es am 23. September so weit und aus diesem Grund mache ich mich von Jerusalem auf den Weg zu meinem Freund Meidan nach Galiläa. Per Anhalter - während der Fahrten erfahre ich, dass Trampen aufgrund von Sicherheitsbedenken verboten ist - führt mich mein Weg über die Stationen Tel Aviv, Haifa und Karmiel in das kleine jüdische Dorf Manov im Landkreis Misgav. Manov liegt, wie könnte es auch anders sein, auf einem Hügel, von dem man die umliegenden arabischen Dörfer im Tal wunderbar überschauen kann.
Da "meine Fahrer" mir auf dem Weg von Jerusalem in den Norden immer wieder versichert haben, dass Rosch HaSchana meist im kleinen Kreis der Familie gefeiert wird und ich meinen Freund Meidan nach seiner Einladung tagelang nicht erreichen konnte, ist mir etwas mulmig zumute, als sich das Haus der Familie schließlich gefunden habe. Glücklicherweise lösen sich die Befürchtungen jedoch in Luft auf, als ich die Türe öffne und mir neben der Familie auch zahlreiche Nachbarn und weitere Verwandte in gemütlichem Zustand zuprosten. Die Atmosphäre lässt sich mit Weihnachten in einer deutschen säkularen (und glücklichen) Familie vergleichen, es gibt leckere Gerichte (keine Spur von koscherem Essen), die Leute bechern fröhlich Wein und während des gesamten Abends wird kein einziges Gebet gesprochen. Ich komme mit einem Nachbarn ins Gespräch, der als Archäologe arbeitet und deshalb sehnsüchtig meinen Erzählungen von Baalbak, Palmyra oder Persepolis zuhört; alles Ausgrabungen in Ländern, die er aufgrund seiner Staatsbürgerschaft nicht besuchen darf. Wir verbleiben schließlich, dass ich ihm zumindest viele viele Fotos schicken werde.
Nach dem Essen verabschieden wir U-30-Jährigen uns, um auf einen nahen Berg zu fahren, wo jedes Jahr zum Neujahrsfest ein nicht-kommerzielles Reggae-Festival stattfinden. Geschlaucht von einer mittelschweren Nachtwanderung erreichen wir das Gelände und treffen zunächst auf die Organisatoren des Festivals, die mich - lediglich in Schafsfellen gekleidet- an Hirten zu Zeiten Jesu erinnern. Bei entspannten Reggae-Rhythmen werden neben dem erfrischenden Goldstar-Bier in erster Linie pflanzlichen Drogen gefröhnt. Im Laufe des Abends steigt die Beatfrequenz der Musik und die Tanzfläche, die laut Angaben der Organisatoren in wochenlanger Schwerstarbeit von Felsen und Steinen geräumt wurde, füllt sich zunehmend. Neben der Tanzfläche liegen Dutzende Matten ausgebreitet, auf der sich die müden Krieger der Schicksalsgemeinschaft neben- und in beträchtlichem Maße auch aufeinander zur Ruhe legen. Auch mich packt kurz vor Anbruch der Morgendämmerung die Müdigkeit und inmitten von Trancebeats, Geräuschen der Liebe und zufriedenem Schnarchen entschwinde ich ins Reich der Träume.
Die ersten Sonnenstrahlen wecken mich sanft auf. Noch immer beweisen einige Wenige auf der Tanzfläche Stehvermögen, derweil ich mich von der fröhlichen Kommune entferne, um die Ruhe in der wunderschönen Umgebung Galiläas zu genießen. Im Tal liegen die arabischen Dörfer Deir Hanna, Araba und SAKHNIN, wo vor zwei Jahren ein einzigartiges Fussballmärchen begann. Bnei Sakhnin (zu deutsch die Söhne Sakhnins) waren 2003 als erste arabische Mannschaft in die erste israelische Liga aufgestiegen. Ohne über ein eigenes Stadion zu verfügen gewannen die "Söhne Sakhnins" 2004 sensationell den israelischen Landespokal und qualifizierten sich somit als erstes und bislang einziges arabisches Team für den europäischen Klubwettberb (UEFA-Cup). Nach heldenhaftem Kampf scheiterte Sakhnin schließlich an dem international renommierten Klub Newcastle United...heute verfügt Sakhnin durch Spendengelder aus Katar über ein eigenes Stadion, jedoch dümpelt man wieder in der zweiten Liga herum...
In Sakhnin konnte ich übrigens auch erstmals jüdisch-arabische Interaktion im großen Stil beobachten. Am Schabbat verirren sich nämlich zahlreiche jüdische Israelis in die arabische Kleinstadt, um zu tanken, Geld abzuheben oder um Zigaretten zu kaufen. Ich meine sogar ab und zu ein "Danke" oder ein "Wie geht´s?" gehört zu haben... so viel zur Kommunikation im täglichen Leben...