Wie wir Amerikaner an der syrisch-irakischen Grenze beobachten wollten und uns schließlich zum Nachmittagsgebet in einer Moschee wiederfanden.
Die Stadt Deir az-Zour im Osten Syriens zählt nicht zu den beliebten Touristenzielen des Landes. Einzige Sehenswürdigkeit der 150000-Einwohner-Stadt ist eine von der französischen Kolonialmacht errichtete Hängebrücke über den Euphrat, der träge auf mehreren hundert Metern Breite an der Stadt vorbei fließt.
Ausländische Besucher werden hier dafür noch herzlicher begrüßt als anderswo im Bilad ash-Sham – unweit des Busbahnhofs lädt uns ein Kioskbesitzer zum Tee ein und heißt uns willkommen. Auch auf der angesprochenen Brücke spricht uns sofort ein Einheimischer an informiert uns über die Geschichte des Bauwerks sowie den Euphrat. „Der Fluss entspringt in der Türkei, fließt dann nach Syrien durch den Assad-Stausee, und Deir az-Zaur und erreicht nahe der Kleinstadt Abu Kamal den Irak. Dort kann man übrigens Amerikaner an der Grenze beobachten.“
Das klingt für uns durchaus interessant und so beschließen wir kurzerhand am nächsten Tag nach Abu Kamal an die syrisch-irakische Grenze zu fahren. Per Microbus nehmen wir die etwa 120 Kilometer in Angriff. Der Weg geht am Rande des grünen Euphrat-Tales entlang. Nur wenige Dörfer passieren wir und auch der Verkehr hält sich in Grenzen. Seit der Schließung der Grenzübergänge in den Irak Anfang 2005 ist die Straße nach Abu Kamal praktisch eine 120 Kilometer lange Sackgasse. Am Horizont kann man einige Ölförderstätten in der syrischen Wüste ausmachen.
Etwa 40 Kilometer vor Abu Kamal, in Höhe der Ruinen der antiken Stadt Dura Europos, müssen wir einen improvisierten Checkpoint passieren. Ein Offizieller in Zivil und mit Maschinengewehr vor der Brust möchte die Ausweise der Insassen sehen und fragt mich nach Ziel und Anlass unserer Fahrt. Die von mir dargebrachte Erklärung „Stadtrundgang durch Abu Kamal und Besichtigung der Sehenswürdigkeiten“ findet nach einigem Zögern die Zustimmung des Kontrolleurs und er lässt uns passieren.
In Abu Kamal angekommen machen wir uns zu Fuß auf in die Richtung in der wir die irakische Grenze vermuten. Die Reaktionen der einheimischen Bevölkerung lässt erahnen, dass sich nicht allzu häufig Ausländer in die Stadt verirren. Nach ein paar Minuten spricht uns ein junger Mann auf Englisch an und bittet uns sich zu ihm zu setzen. Er stellt sich als Hussein Ali vor und erklärt uns, dass wir von nun an für 5 Tage seine Gäste seien. Nachdem wir ihm mühsam erklären, dass wir noch heute Abend nach Deir zurückkehren müssten, einigen wir uns darauf seine Einladung zum Mittagessen anzunehmen. Wenige Wochen zuvor hat Ali seine Prüfung in englischer Literatur an der Universität Damaskus abgelegt, seitdem arbeitet er in der Eisenschmiede seines Vaters – wir sind die Ersten mit denen er seither Englisch sprechen konnte.
Wir erklären ihm das Ziel unserer Fahrt und er verspricht uns, einen Fahrer zu organisieren, der uns an die etwa 8 Kilometer entfernte Grenze bringen wird. Vorher gibt uns Ali jedoch noch einige Ratschläge mit auf den Weg. Auf jeden Fall sollten wir beim Eintreffen am Grenzpunkt rauchen. „Wenn sie sehen, dass ihr raucht, dann wissen sie, dass ihr keine Mujahedin seid, weil Mujahedin rauchen nicht und euch wird nichts passieren.“ Etwas mulmig ist uns nun doch zu Mute aber wenn wir schon mal hier sind…
Ein Fahrer bringt uns also in einem Pick-Up-Truck amerikanischer Bauart an den einige Kilometer hinter Abu Kamal gelegenen Grenzübergang der jedoch drei Monat zuvor geschlossen wurde. Dort sehen wir jedoch keine Amerikaner sondern lediglich syrische Geheimdienstmitarbeiter die über unser Kommen gar nicht erfreut sind und unsere Personalien aufnehmen. Unser Fahrer muss sich die Frage gefallen lassen, warum er denn Ausländer an die Grenze bringt. Der Zweck unserer Reise, „Urlaub“, stößt bei den syrischen Beamten auf völliges Unverständnis, das Fotografieren wird uns untersagt und nach knapp 10 Minuten verlassen wir den Ort. Mehr als eine irakische Fahne auf der irakischen Seite des Checkpoints haben wir vom Irak nicht gesehen.
Zurück in Abu Kamal fahren wir zu Ali nach Haus. Stolz führt er uns seinen Computer vor. Leider hätten ihm die Behörden vor einigen Wochen das Internet abgestellt, da er zu oft die Internetseiten von Islamisten besucht habe – nur um sich zu informieren wie der 20-Jährige versichert. Er zeigt uns eine Multimedia-Version des Koran und ruft plötzlich aufgeregt.: „Hier ist der Beweis, dass die Juden hinterlistig sind.“ Wir sind erstaunt, glauben aber nicht, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für Widerworte gekommen ist.
Die Frage nach unserer Religion beantworten wir mit „Christ“. Damit zeigt sich unser Gastgeber durchaus einverstanden hakt aber nach: „Glaubt Ihr an die Kreuzigung Christi?“ Wir bejahen zögerlich und müssen nun einen längeren Vortrag darüber über uns ergehen lassen, dass Jesus nicht gekreuzigt worden sei, sondern dieser Glaube auf einer Verwechslung beruhe.
Ali interessiert sich sehr für das Leben der Muslime in Deutschland, möchte wissen, ob sie in Deutschland diskriminiert werden, ihre Glauben praktizieren dürfen, etc. Den damaligen Außenminister Joschka Fischer lobt er in den höchsten Tönen, da er auf Seiten der Palästinenser stehe und gegen den Irak-Krieg gewesen sei. Von den Bombenangriffen auf den Irak im März und April 2003 waren auch die grenznahen Regionen Syriens betroffen. Ali berichtet von lauten Bombenexplosionen und berstenden Fensterscheiben. al-Qaim, die nächste größere Stadt im Irak ist etwa 35 Kilometer entfernt.
Usama bin Laden und die Anschläge des 11.September verurteilt Ali. Ideologisch scheint er der wahhabitischen Glaubenslehre nahezustehen. Fünfmal täglich lässte er alles stehen und liegen um zu beten, wann immer es ihm möglich ist, geht er dafür in die Moschee. Die schiitische Glaubenslehre lehnt er wegen ihrer Heiligenverehrung ab.
Ali hofft in Kuwait Arbeit finden zu können. In Syrien seien lukrative Jobs für Universitätsabsolventen praktisch nur für Leute mit Beziehungen zu einflussreichen Stellen erreichbar, klagt er. Wir genießen das reichhaltige Essen, das nach dem Brauch des Propheten auf dem Boden eingenommen wird. Alis Frau, die er 25 Tage zuvor ehelichte, bereitete unter anderem gefüllte Weinblätter, Kartoffeln und Tabbouleh zu.
Plötzlich fragt uns Ali, ob wir wüssten, wie man das rituelle Gebet der Muslime, Salat, vollführt. Er führt es uns vor und bittet uns, es ihm nachzutun. Beim ersten Mal gelingt uns dies noch nicht so ganz aber unser Lehrmeister zeigt es uns noch einmal. Anschließend verkündet er.: “Wenn nachher der Muezzin ruft, begleitet ihr mich zum Nachmittagsgebet in die Moschee.“
Gesagt, getan. Gemeinsam mit Ali gehen wir also in die schmucklose Kleinstadt-Moschee am Rand des Ortes. Natürlich haben wir uns zuvor der rituellen Waschung unterzogen. Auf dem Weg zum Gotteshaus erklärt uns Ali, dass zunächst jeder für sich bete bevor der Imam die Gemeinde zum gemeinschaftlichen Gebet versammelt.
In der Moschee zeigt uns Ali seinen Schwager sowie seinen Schwiegervater – man meint zu erahnen wo die Heirat beschlossen wurde. Wir beten also zunächst jeder für uns – machen als im Prinzip all das, was Ali auch macht. Als dann der Imam die Gebetsnische betritt versammeln sich die etwa 50 Gläubigen in einer Reihe, so dass sich die Schultern beruhen. Nach knapp 5 Minuten, einigen Verbeugungen gen Mekka und zahlreichen gemurmelten „Allahu Akbar“s ist das Gebet beendet.
Ali ist sichtlich stolz auf uns.
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