Die an strategischen Bündnissen und Bündniswechseln wahrlich nicht arme libanesische Politik erlebte gestern die Etablierung einer selbst für ihre Verhältnisse ungewöhnlichen Allianz.
Wenn man nämlich vom Verhältnis zu Syrien, einem entscheidenden Faktor politischer Positionierung im Libanon, ausgeht, treffen hier auf den ersten Blick entgegen gesetzte Pole aufeinander. Allerdings sahen sich beide Seiten, die pro-syrische Hizbullah, sowie die anti-syrische FPM (Free Patriotic Movement) in den letzten Wochen schwerem Druck ausgesetzt, die sie dazu veranlasst hat, sich einander anzunähern, um nicht auf der politischen Verliererstraße zu landen.
Besondere Brisanz erlangt das neue Bündnis auch angesichts der Tatsache, dass sich mit der FPM die stärkste Oppositionspartei mit der Regierungspartei Hizbullah trifft. Die Islamisten unter Führung von Hassan Nasrallah boykottieren nun aber schon seit Wochen die Mitarbeit an der Regierung. Da in dem gemeinsamen Statement von Hizbullah und FPM aber grundsätzlich die selben Probleme angesprochen werden, die auch die Regierung zu lösen sucht (Entwaffnung der Hizbullah, Status der Shebaa-Farmen, Verhältnis zu Syrien), liegt der Schluss nahe, Hizbullah wolle für seine Ziele neue Verbündete ins Boot holen und die Regierung um Fouad Siniora zur Bedeutungslosigkeit verdammen. Ohnehin ist das Verhältnis Nasrallahs zu Drusenführer Walid Joumblat, dessen Partei ebenfalls an der Regierung beteiligt ist, durch gegenseitige Hasstiraden schwer belastet. Breiter gestreute Unterstützung allerdings hat die Hizbullah allerdings mittlerweile auch bitter nötig. Sie kann sich nicht mehr lediglich auf ihre (immer noch beachtlich große) Anhängerschaft stützen. So muss Nasrallah sich flexibel zeigen, um die Zweifel an der Loyalität Hizbullahs zum Libanon aus dem Weg zu räumen.
Nach außen hin soll damit zum einen ein Zeichen zur Integrationswilligkeit der Hizbullah in das libanesische politische System gesetzt werden, zum anderen will sich die Partei Gottes langsam aber behutsam aus der ideologischen Ecke des pro-syrischen Lagers befreien.
Aoun wiederum verfolgt seine ganz eigenen Ziele mit dem neuen Bündnis. Zwar ist seine Partei als stärkste Oppositionskraft aus den Wahlen 2005 hervorgegangen, dennoch steht sie weitgehend isoliert im politischen Spektrum des Libanon. Das hing auch nicht unwesentlich mit den persönlichen Ambitionen Aouns zusammen. Nach der Wahl lehnte er eine Mitarbeit an der Regierung ab, um, so vermuten seine Kritiker, politisch nicht marginalisiert zu werden. Ohnehin wird ihm vorgeworfen, auf die ihm größtmöglichste Macht im Libanon hinzuarbeiten, also das Präsidentenamt. Dabei schwingen natürlich Erinnerungen an die letzten Jahre des Bürgerkrieges mit, in denen Aoun hartnäckig alle Macht auf dich zu vereinen suchte und nach blutigen Kämpfen von Syrien ins Exil getrieben wurde. Dennoch verfügt er über eine vergleichsweise große (auch konfessionsübergreifende) Anhängerschaft, weil er, aus einfachen Verhältnissen stammend, als vergleichsweise wenig korrupt und ausschließlich libanesischen Interessen verpflichtet gilt. Mittelfristig jedoch steht wohl sein eigenes Interesse, endlich zum Präsidenten gewählt zu werden im Vordergrund. Die Unterstützung der Hizbullah im Parlament könnte dafür ausschlaggebend werden.
09.02.2006
Libanon: Neues Bündnis Hizbullah-Aoun