02.12.2005
Ägypten: Gewalt gegen Oppositionsanhänger bei Parlamentswahlen hält an


Die Endphase der Parlamentswahlen in Ägypten wird von Versuchen der Sicherheitskräfte überschattet, oppositionelle Anhänger an der Teilnahme zur Wahl zu hindern. Angesichts der spektakulären Gewinne der Muslimbrüder, die bereits nach den ersten beiden Wahlgängen ihr Ergebnis der letzten Parlamentswahlen um das Fünf-fache steigern konnten (alsharq berichtete) und nun 100 Sitze als symbolischen Meilenstein erreichen könnten, zeigt sich die regierende Nationale Demokratische Partei (NDP) unter Staatspräsident Hosni Mubarak fest entschlossen, ihre zwei Drittel-Mehrheit im Parlament zu wahren. Diese Mehrheit ist erforderlich, um die Verfassung zu ändern und um Notstandsgesetze zu verabschieden.
In Baltim, einer Stadt im nördlichen Nil-Delta, wurde laut Berichten von Ärzten und der Ägyptischen Organisation für Menschenrechte am Donnerstag ein Anhänger des Nasseristen Hamdeen Sabahi von der Polizei getötet. Dagegen behauptet das Innenministerium, das Opfer sei als Anhänger des lokalen Kandidaten der NDP bei Zusammenstößen mit Sabahis Nasseristen ums Leben gekommen.
Trotz eines massiven Aufgebots der regierungsnahen Sicherheitskräfte und einer drei-tägigen Verhaftungswelle, während der über 600 Muslimbrüder eingesperrt wurden, die vornehmlich als Träger der Wahlkampagne fungierten, ließen sich der Großteil der Anhänger nicht einschüchtern. Beispielsweise kletterten in Bossad, einem Dorf im Nil-Delta, die Wähler über die Mauer des Wahllokals, um ihre Stimme abzugeben, da die Eingänge von Sicherheitskräften blockiert wurden. Tränengasgranaten der Sicherheitskräfte brannten in dem selben Dorf drei Häuser nieder, berichtete ein AFP-Reporter. Ähnliches ereignete sich in vielen anderen Dörfern und Städten. Trotzdem sieht ein Sprecher der Muslimbrüder, Issam al-Aryan, positive Auswirkungen durch die repressive Politik der Regierung, da die Bruderschaft dadurch von Protestwählern profitieren werde. In der Tat erscheint die einfache Losung der Muslimbrüder, "Der Islam ist die Lösung" vielen jungen Ägyptern der städtischen Unter- und Mittelschicht als einzigen Ausweg für die Zukunft.
Vor allem den Richtern, die die Wahlen überwachen, ist es zu verdanken, dass die Wahlen sehr viel transparenter als in den Vorjahren verlaufen und Unregelmäßigkeiten öffentlich angesprochen werden. Trotzdem ist Ägypten von freien und fairen Wahlen noch ein großes Stück entfernt.

Christoph ist studierter Islam-, Politik- und Geschichtswissenschaftler mit Fokus auf Westasien. Der Mitgründer von Alsharq - heute dis:orient - war zwischen 2011 und 2014 bei der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Willy-Brandt-Zentrum in Jerusalem tätig. In Berlin arbeitet er als Geschäftsführer für Alsharq REISE. Christoph hält regelmäßig...