In jedem Monat verlassen knapp 100000 Iraker ihre Heimat - diese alarmierende Bilanz zog gestern das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) in Genf. Schätzungen zufolge fliehen Tag für Tag etwa 2000 Iraker nach Syrien, 1000 nach Jordanien. Wie viele Iraker außerhalb des Landes Schutz gesucht haben, kann nur grob geschätzt werden. Insgesamt sollen 1,8 Millionen irakische Staatsbürger ins Ausland geflüchtet sein. So sollen 700.000 Iraker in Jordanien leben, mindestens 600.000 in Syrien, mindestens 100.000 in Ägypten, 20.000 bis 40.000 im Libanon sowie 54.000 im Iran.
Zwar flohen viele dieser Iraker im Verlauf des letzten Jahrzehnts, also auch schon während der Diktaur Saddam Husseins, doch habe der Exodus nach Angaben von UNHCR-Sprecher Ron Redmond mittlerweile ein Ausmaß erreicht, dass die schlimmsten Erwatungen, die man vor der US-Invasion 2003 gehegt habe, übertreffe. Damals war man von 600000 Flüchtlingen ausgegangen. Zudem hatte man damals damit gerechnet, dass die Flüchtlinge bald zurückkehren würden, nun nimmt die Zahl der Vertriebenen jedoch auch dreieinhalb Jahre nach Kriegsbeginn stetig zu. UNHCR-Sprecher Redmond bezeichnete den Prozess als "schleichenden, unsichtbaren Exodus".
Zu den 1,8 Millionen Auslandsflüchtlingen kommen in dem 23-Millionen-Einwohner-Staat nach UNHCR-Angaben 1,6 Millionen Binnenvertriebene, die vor ethnisch oder religiös motivierter Gewalt in andere Landesteile flohen. Monat für Monat kommen 50000 weitere hinzu.
Prekär ist auch die Lage der etwa 50000 Menschen, die vor Beginn des Irakkriegs in das Zweistromland geflohen waren. Zu ihnen gehören unter anderem Sudanesen, Iraner und Palästinenser, die ihr Dasein teilweise seit Generationen in Flüchtlingslagern in der irakischen Wüste fristen. Erschwert wird den palästinensichen Flüchtlingen das Leben dadurch, dass ihnen Jordanien die Einreise verweigert, da man dort den demographischen Wandel zugunsten des palästinensichen Bevölkerungsanteils nicht weiter forcieren will. Bislang konnten erst 1200 dieser Flüchtlinge in sichere Drittstaaten ausgeflogen werden.
Positiv kann lediglich vermerkt werden, dass seit dem Sturz Saddam Husseins 50000 Exil-Iraker in ihre Heimat zurückgekehrt sind.