Wie groß ist also die Ablehnung des syrischen Regimes im Volk wirklich und wie viel Unterstützung genießen die Oppositionellen? Am vergangenen Mittwoch veröffentlichte die kalifornische Pepperdine University die Ergebnisse einer Meinungsumfrage, die vor wenigen Wochen im Auftrag des Democracy Council in Syrien durchgeführt wurde. Die Ergebnisse scheinen eindeutig: 86% der Syrer bewerten Präsident Baschar al-Assad negativ, acht von zehn Syrern wollen einen Regimewechsel, nur jeder Zwanzigste hat einen negativen Eindruck von den Protestierenden.
In arabischen und englischsprachigen Medien wurden diese Ergebnisse mit großem Interesse aufgenommen. Die Nachrichtensender CNN und al-Jazeera berichteten ausführlich über die Umfrage. Was dabei allenfalls am Rand erwähnt wurde: Die Resultate fußen auf einer sehr dünnen Datenbasis und sind nicht repräsentativ – ein Umstand, den die Meinungsforscher selbst einräumen.
Den amerikanischen Wissenschaftlern und mehr noch ihren syrischen Kollegen vor Ort gebührt Respekt für den Mut, eine solche Umfrage Ende August und Anfang September inmitten der aktuellen Unruhen durchzuführen. Die syrischen Behörden durften nicht von den Plänen erfahren, um die Sicherheit der Befragenden als auch der Befragten nicht zu gefährden. Doch genau diese Umstände führten auch dazu, dass die Umfrageergebnisse nur mit Einschränkungen als ein repräsentatives Meinungsbild der Syrer bewertet werden können.
Insgesamt konnten die Meinungsforscher 551 Syrer im Rahmen persönlicher Interviews befragen. Auf die Gesamtzahl der syrischen Bürger gerechnet, sind das prozentual gesehen mehr als die etwa 1000 Deutschen, die von Forschungsinstituten im Rahmen von Sonntagsfragen und Politbarometern befragt werden.
Problematischer sind andere Kennzahlen der Umfrage: Nur 11 Prozent der Befragten waren Frauen. Diese Schwäche wollten die Wissenschaftler dadurch ausgleichen, dass sie die Antworten der weiblichen Teilnehmer entsprechend stärker gewichteten. Dennoch erscheint es sehr gewagt aus den Antworten von nur 60 syrischen Frauen Rückschlüsse auf die politische Stimmung in einem Land mit 23 Millionen Menschen zu ziehen.
Ähnliches gilt für die konfessionelle Zusammensetzung des Umfrage-Samples - angesichts der oft heraufbeschworenen Gefahr eines Bürgerkriegs entlang konfessioneller Grenzen ein wichtiger Punkt.Nur 5 Prozent der Befragten waren Christen, landesweit dürfte ihr Anteil an der Bevölkerung etwa doppelt so hoch liegen. In der jetzt veröffentlichten Studie wurden die Antworten der verschiedenen Befragten nicht nach ihrer jeweiligen Religionszugehörigkeit aufgeschlüsselt.
Die Verantwortlichen der Pepperdine University haben aber bereits angekündigt, dies in einem zweiten Bericht auf Grundlage der Umfrageergebnisse nachzuholen, mit dem sie belegen wollen, dass Baschar al-Assads Rückhalt bei der christlichen Minderheit geringer ist als bislang geschätzt. Ein Stimmungsbild der syrischen Christen auf Basis von etwa 25 Befragten zu erzeugen, erscheint ebenfalls höchst ambitioniert.
Aleppo, die zweitgrößte Stadt des Landes, in deren Großraum knapp ein Viertel der Syrer leben, ist ebenfalls stark unterrepräsentiert. Nur zwei Prozent der Befragten wurden dort geboren. Nach den Ergebnissen der letzten Volkszählungen war Aleppo mit mehr als vier Millionen Einwohnern, das bevölkerungsreichste Gouvernorat.
Ähnliche Schwächen der Umfrage finden sich an mehreren Stellen der Studie und werden mehrfach von den Forschern selbst eingestanden. Angesichts der derzeitigen Situation in Syrien, die eine unabhängige Arbeit vor Ort schlicht unmöglich macht, kann man den Wissenschaftlern kaum einen Vorwurf machen. Die Medien aber, die ausführlich und zumeist unkritisch über die Umfrage berichteten, sollten die Ergebnisse mit Vorsicht genießen oder zumindest ihre Zuschauer und Leser deutlich auf die Schwächen hinweisen.