08.05.2008
Straßenkämpfe im Libanon halten an

Die Unruhen im Libanon haben heute ein erstes Todesopfer gefordert. Eine Frau erlag ihren Verletzungen, die sie während eines Schusswechsels im Dorf Sednayel in der Bekaa-Ebene erlitten hatte. Bei weiteren Kämpfen in Beirut wurden seit gestern mehrere Dutzend Menschen verletzt.

Mehr und mehr nehmen die Unruhen die Form eines Konflikts zwischen den beiden muslimischen Konfessionen, den Sunniten und Schiiten, im Libanon an. Während es in den mehrheitlich von Christen und Drusen bewohnten Gebieten des Landes bislang weitgehend ruhig blieb, eskalierte die Lage in den Teilen Beiruts und der Bekaa-Ebene, die von Sunniten und Schiiten gleichermaßen bewohnt werden.

Augenzeugen berichten, dass etwa Anhänger der schiitischen Amal-Bewegung in Beirut Sunniten provozierten. Auch die höchste religiöse Autorität der libanesischen Sunniten, Großmufti Rashid Qabbani, machte deutlich, dass er den Konflikt im Libanon als eine Auseinandersetzung zwischen den Religionsgemeinschaften versteht. "Die Sunniten haben genug.", erklärte Qabbani gestern Abend in einer TV-Ansprache.

Die wichtigsten Verkehrsadern des Landes sind mittlerweile von Oppositionsanhängern blockiert worden. Die Straße, die Beirut mit dem Flughafen verbindet, wurde unpassierbar gemacht, ebenso wie die wichtigste Verbindsungsstraße nach Syrien. Die Bolckierer haben sich mittlerweile offenbar mit Zelten versorgt, was daraufhin deutet, dass die Flughafenstraße auf absehbare Zeit unpassierbar bleiben wird.

Die Hizbollah bezeichnete die Straßenblockaden als den Beginn einer Kampagne des zivilen Ungehorsams, die so lange anhalten werde, bis die Forderungen der Opposition erfüllt seien. Der Unmut der Hizbollah entzündet sich vor allem an zwei Regierungsbeschlüssen der vergangenen Tage. Zum einen erklärte die Regierung, die von der Opposition als illegitim angesehen wird, das interne Telefonnetz der Hizbollah für "illegal und ungesetzlich". Die Hizbollah argumentiert, dass dieses für den Kampf gegen Israels unerlässlich sei und sich die Regierung mit ihrer Entscheidung auf die Seite des Feindes stelle.

Zum Anderen entließ das Kabinett den schiitischen Sicherheitschef des Beiruter Flughafens Wafiq Shuqeir, dem Zusammmenarbeit mit der Hizbollah vorgeworfen wird. Zuvor hatte Walid Jumblatt, führender Politiker des Regierungsbündnisses, die Hizbollah beschuldigt, die Start- und Landebahn des Airports mit Videokameras zu überwachen und Anschläge auf Politiker zu planen.

Angesichts der wachsenden Polarisierung zwischen Sunniten und Schiiten wächst die Angst vor einem neuen Bürgerkrieg im Libanon. Die Zeitung "al-Akhbar" sieht das Land bereits am "Rande des Chaos". Armee-Chef Michel Sleiman warnte bereits, er werde seine Soldaten in die Kasernen zurückbeordern, sollten die Unruhen weiter um sich greifen. Die Einheit der Armee sei sein wichtigstes Ziel.

Gespannt wartet man nun auf eine Pressekonferenz des Hizbollah-Generalsekretärs Hassan Nasrallah, die für 15 Uhr MEZ geplant ist. Es wird erwartet, dass Ministerpräsident Siniora im Laufe des Tages den Ausnahmezustand verhängen wird.