17.06.2011
Schließung des »Gulf Research Center« in Dubai: »Kritik wird kriminalisiert«
Abdulaziz Sager, Direktor des »Gulf Research Center«, berichtet im Interview, warum sein Institut nicht mehr in Dubai arbeiten darf – und welche Auswirkungen die Nervosität der Herrscher am Golf auf die Forschungslandschaft hat.

Alsharq: Anfang Juni haben Sie auf ihrer Homepage verkündet, dass das »Gulf Research Center« (GRC) in Dubai »umstrukturiert« wird. Kritische Stimmen würden sagen, dass ihr Institut aus den VAE geschmissen wird. Wie ist Ihre Lesart?

Abdulaziz Sager: Fakt ist, dass die Dubaier Behörden die Verlängerung der Lizenz für das GRC verweigert haben. Deswegen haben wir keine legale Grundlage mehr, in den Emiraten weiterzuarbeiten. Dazu ist die Regierung auch berechtigt, obgleich ich mit der Entscheidung natürlich nicht einverstanden bin.

Die Lizenzverlängerung in den VAE schien vorher nie ein Problem gewesen zu sein. Warum lief es diesmal anders?

Wie sind vorher nie in so eine Situation geraten. Die jetzt abgelaufene Lizenz war seit der Gründung des GRC im Juli 2000 gültig. Es war also das erste Mal, das wir überhaupt die Lizenz verlängern mussten. Es kann gut sein, dass die Entscheidung, die Lizenz nicht zu erneuern schon vor einer Weile getroffen wurde und nicht unmittelbar mit den Ereignissen der letzten Zeit zusammenhängt.

Welche Gründe haben Ihnen die Behörden in den VAE denn vorgelegt – und welche Motive steckten dahinter?

Wir haben nie eine schriftliche Benachrichtigung erhalten und Vorbehalte gegen unsere Arbeit wurden uns lediglich mündlich übermittelt: Kontakte zu ausländischen Institutionen, Empfang ausländischer Delegationen, exzessiver Kontakt zu Medien sowie einige Aspekte unserer Forschungsarbeit. Diese nahm angeblich einen zu negativen Standpunkt gegenüber dem Iran ein, was als abträglich für die bilateralen Beziehungen angesehen wurde. Ich kann dazu nur sagen, dass wir alle unsere Aktivitäten immer nachvollziehbar und transparent gestaltet haben. Viele unserer Veranstaltungen wurden sogar ausdrücklich von den Behörden der VAE angefragt. Wir haben immer darauf geachtet, die Regierungen von Dubai und der VAE über das, was wir tun auf dem Laufenden zu halten. Außerdem sind alle unsere Veranstaltungen auf unserer Website nachzulesen. Deshalb nehme ich die Vorbehalte, die gegen uns vorgebracht wurden, nicht für bare Münze. Letztendlich glaube ich, dass unsere unabhängige Position als NGO in einer Umgebung, die nicht daran gewöhnt ist, unabhängige Stimmen zuzulassen, den Ausschlag für die Entscheidung gab.

»Seit 2000 habe ich über 150 Millionen Dirham in Dubai investiert«

Sie haben im April in einem Kommentar für die Washington Post die Golfmonarchien aufgefordert, den Ruf nach Reformen ernstzunehmen und umzusetzen. War das zu viel der Kritik für die Herrscher in den VAE?

Nein, und ich habe ja auch nicht die VAE gesondert herausgehoben. In einem früheren Artikel für die Washington Post habe ich aber beispielsweise die Situation in meinem Heimatland Saudi-Arabien kritisiert. Ich glaube einfach, dass Reform am Golf notwendig und unabdingbar ist. Je eher die Herrscherfamilien das erkennen und handeln, desto besser.

Im April wurden einige Intellektuelle in den VAE festgenommen, nachdem sie eine Reformpetition unterzeichnet hatten, unter ihnen auch der renommierte Wirtschaftsprofessor Nasser Bin Ghaith, der am Campus der Sorbonne in Abu Dhabi lehrt. Außerdem hat die Regierung die Berufsverbände der Juristen und der Lehrer aufgelöst. Gehen die VAE gerade gezielt gegen das akademische und intellektuelle Leben vor?

Im Moment herrscht in der Region eine generelle Nervosität, die zu Überreaktionen führt. Die Protestwelle im Nahen Osten hat alle überrascht und die Regierungen in der Region waren auf einige der Entwicklungen einfach nicht vorbereitet. Allerdings müssen die Regierungen akzeptieren, dass sie nicht immun sind gegenüber dem Recht ihrer Bevölkerungen, Verantwortlichkeit und Transparenz einzufordern. Es wäre besser, die objektive Kritik konstruktiv aufzunehmen, anstatt jegliche Opposition zu kriminalisieren.

Das GRC war lange Zeit das Aushängeschild der VAE für den Anspruch, zum akademischen und intellektuellen Zentrum der Region aufzusteigen. Opfert die Regierung nun das, was sie in den vergangenen zehn Jahren mitaufgebaut hat?

Bei mir macht sich schon ein Gefühl der Frustation breit, weil ich seit der Gründung des GRC mehr als 150 Millionen Dirham investiert habe – Geld, das größtenteils in Dubai ausgegeben wurde. Mal ganz davon abgesehen hat die Arbeit des GRC Dubai überhaupt auf die Landkarte der internationalen Forschungslandschaft gebracht. In diesem Kontext ist die Entscheidung, unsere Lizenz nicht zu verlängern kein sonderlich positives Signal. Denn die Welt – und die Region – werden immer offener – und nicht umgekehrt.

Wie reagieren Ihre internationalen Partner?

Seit der Bekanntgabe der Entscheidung haben wir von vielen Organisationen, aber auch Einzelpersonen, mit denen wir in den vergangenen Jahren zusammengearbeitet haben, ermutigende Reaktionen bekommen. Für uns bedeutet das eine Bestätigung unserer Arbeit und gibt uns zusätzliche Motivation weiterzumachen. Ich denke, unsere Arbeit spricht für sich. Wir brauchen keinen Fürsprecher.

»Wir haben die Grundlagen für seriöse Politikberatung am Golf geschaffen«

Wie wird sich die Abwanderung des GRC auf das intellektuelle und politische Klima in den VAE auswirken?

Das kann ich nicht absehen, aber das Ende des intellektuellen Lebens in den VAE bedeutet es sicher nicht. Ich denke, wir haben mit unserer Arbeit zur Entwicklung einer ernstzunehmenden und objektiven Politikberatung in den VAE und überhaupt in den Staaten des Golfkooperationsrates beigetragen. Wir haben also eine Grundlage geschaffen, auf der man aufbauen kann. Was für eine akademische Umgebung die VAE haben wollen, müssen sie selbst entscheiden. Das GRC ist unabhängig und wird seinen Weg weiter gehen.

Das GRC soll jetzt in die bereits bestehenden Zweigstellen ausweichen – unter anderem ins saudi-arabische Jeddah. Erwarten Sie dort nicht dieselben Schwierigkeiten wie in den VAE?

Ich bin in der Vergangenheit mit meinem Heimatland so hart ins Gericht gegangen wie kaum ein anderer – und die saudi-arabischen Behörden haben mir trotzdem keinerlei Probleme bereitet. Unsere Arbeit ist ja konstruktiv und soll Vorschläge für bessere Politiklösungen anbieten. Ob die Regierungen darauf hören, liegt an ihnen. Bisher sind unsere Ideen in Saudi-Arabien auf offene Ohren gestoßen und ich erwarte nicht, dass sich das ändern wird.

Wie werden die Herrscher in den VAE nun weiter verfahren? Und gibt es für das GRC einen Weg zurück in die VAE?

Das müssen Sie die Verantwortlichen schon selber fragen. Wir haben die Entscheidungen, die uns aufgezwungen worden, nicht gefällt, aber wir halten uns an sie. Wir hegen keinen Groll gegen irgendjemanden und wenn ein Sinneswandel einsetzen sollte, schließen wir nichts aus. Wichtig ist, dass das GRC seine Arbeit fortführen kann.

Abdulaziz Sager
wurde 1959 in Mekka, Saudi-Arabien geboren und gründete im Juli 2000 das »Gulf Research Center«, das er bis heute leitet. Daneben steht der promovierte Politiologe der saudi-arabischen IT-Service-Firma »Sager Group Holding« vor.
www.grc.ae