Das große Presseecho nach der Präsidentschaftswahl in Syrien ist im Nahen Osten ausgeblieben. Die meisten Medien beschränkten sich darauf, den Wahlsieg von Diktator Baschar al-Assad und die internationalen Reaktionen zu melden - mit Kommentaren halten sich die meisten Blätter jedoch zurück. Dafür ist der Jubel der staatlichen Medien in Damaskus umso lauter.
88,7 Prozent für Baschar al-Assad – „Dieses großartige Ergebnis ist Ausdruck der Liebe des Volkes für seinen geliebten syrischen Führer“, schreibt Mohammed Kneissi in seinem Kommentar für die syrische Parteizeitung al-Baath. Trotz aller Versuche der Allianz des Westens, der Zionisten und reaktionären arabischen Staaten, Syrien zu zerstören, sei die Popularität des Präsidenten auf dem Höhepunkt angelangt. „Baschar al-Assad ist der Garant für die Einheit Syriens, der Anführer des panarabischen Widerstands und der Befehlshaber beim Sieg über den terroristischen Feind“, jubelt der Kommentator. Es sei heuchlerisch vom Westen, die Wahlen in Syrien für illegitim zu erklären, und gleichzeitig die Wahlen in der Ukraine oder in Mali anzuerkennen. „Die Syrer haben die Demokratieprüfung mit Auszeichnung bestanden“, urteilt Kneissi, „und sie werden nun die anstehenden Prüfungen noch größerem Selbstvertrauen und stärkerer Entschlossenheit angehen.“
„Der 3. Juni 2014 nimmt eine besondere Stellung in der Geschichte Syriens, des Nahen Ostens und der Welt ein“, schreibt Amin Hattit in seinem Leitartikel für die staatliche syrische Tageszeitung al-Thawra. „Der umfassende Sieg verhinderte Syriens Unterdrückung und Fremdbestimmung.“ Die mächtigsten und reichsten Staaten der Welt hätten versucht „den Reichtum des Landes zu stehlen und sein Volk zu versklaven“, schreibt der Kommentator – dazu werde es nun nicht kommen – dank der weisen Führung, die seit 44 Jahren in Damaskus regiert. „Der Mut und die Standfestigkeit des syrischen Volkes haben die 'Revolution' als Lüge enttarnt und die Wahrheit der ausländischen Agression enthüllt“, so Hattit. „Die richtige Revolution hat bei den Wahlen stattgefunden.“ Nur Präsident Baschar al-Assad habe das Recht im Namen des syrischen Volkes zu sprechen. Jeder Versuch, ihm diese Autorität zu nehmen, „sollte mit allen Mitteln bekämpft werden“, fordert der Journalist. Das sollten nun auch die Vereinten Nationen erkennen. „Die Uno sollte keine Zeit verschwenden mit der Organisation sinnloser Konferenzen außerhalb Syriens oder der Suche nach einem Nachfolger für Lakhdar Brahimi, der damit gescheitert ist, sein zionistisch-amerikanisches Projekt anzupreisen.“
Auch Sultan Mohammed al-Nuaimi hält in seinem Kommentar für al-Ittihad aus den Vereinigten Arabischen Emiraten die diplomatischen Bemühungen für eine Lösung des Syrien-Konflikts für gescheitert. Er verweist auf Äußerungen der iranischen Regierung, die als Schutzmacht des Assad-Regimes klar gemacht hatte, dass die Genfer Gespräche keine Relevanz mehr hätten. „In Zukunft steht das Schicksal von Baschar al-Assad nicht mehr zur Debatte – ganz egal ob die Wahlen legitim und rechtmäßig waren“, schreibt Nuaimi. Entscheidend sei, dass der „internationale Schutzschirm“, bestehend aus Russland, China und Iran die Wahlen unterstützt habe und gewillt sei, Assad um jeden Preis an der Macht zu halten.
"Lektion der Demokratie" oder "Maskerade"
Der sonst sehr meinungsfreudige libanesische Orient le Jour hält sich bemerkenswert zurück, was eine Einschätzung der Wahlen in Syrien betrifft. In Berichten lässt die Redaktion verschiedene Seiten zu Wort kommen und spiegelt so die innerlibanesische Zerrissenheit angesichts der Lage in Syrien wieder: Für Assad spricht selbstverständlich Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah, dessen Miliz an der Seite Assads in Syrien kämpft. Er hält „den Krieg gegen Syrien“ für gescheitert aufgrund der riesigen Wahlbeteiligung, angesichts derer niemand mehr mit Recht behaupten könne, in Syrien kämpfe das Volk gegen das Regime. Ihm assistiert Drusen-Führer Walid Joumblatt, der die syrischen Wahlen wegen ihrer „beeindruckenden Transparenz und ihres Pluralismus“ für eine „Lektion der Demokratie“ an die Welt hält und glaubt, dass Baschar al-Assad noch viel mehr Stimmen bekommen hätte, hätten die Ermordeten, Geflüchteten, Gefangenen und Verschwundenen auch mit abstimmen können.
Auf der anderen Seite beschreibt Saad Hariri, Anführer der Future-Partei, die Wahlen als „schwarz und blutig“ und bezeichnet sie als „Maskerade“. Dieser Begriff fällt auch beim Parlamentsabgeordneten Antoine Saad, der sagt, das syrische Volk zahle die Rechnung für das Versagen der internationalen Gemeinschaft „mit seinem vergossenen Blut, der Zerstörung und der Umsiedelung“. In ihrer Rubrik "Unsere Leser haben das Wort" veröffentlicht die Zeitung zudem die Einsendung eines Syrers mit dem Namen Assad Fakhouri, der sagt, Assad sei ein „kleiner Hitler“, dessen Zähler erst bei 150.000 Toten steht. „Die Freiheit erhält man nur durch Kampf“, ruft er seine Landsleute auf. Assad sei „ein verlorener Mann. Seht, wie er fällt.“
„Assads Sieg ist Syriens Niederlage“, titelt der libanesische Daily Star. Der an beißendem Sarkasmus kaum zu überbietende Kommentar bemerkt zur Ankündigung syrischer Offizieller, mit der Wahl beginne ein neues Kapitel: „Die Zeichen des Kompromisses waren unübersehbar am Wahltag, als Luftschläge und Bomben die vielen Gebiete angriffen, über die das Regime längst die Kontrolle verloren hat.“ Auch die Länder an der Seite der Opposition hätten Standhaftigkeit gezeigt – und zwar darin, harsche Worte gegen das syrische Regime zu verlieren, „das, wie jeder weiß, nichts so sehr fürchtet wie verbale Verurteilungen.“ Die Wahl, so endet der Kommentar, sei ein klarer Sieg gewesen, „ein Sieg gegen Syrien und das syrische Volk.“
Die der Hisbollah nahestehende Tageszeitung al-Safir bemerkt dagegen, die Botschaft des Wahlergebnisses sei eine breite Legitimation für die Regierung und die Wiederherstellung der Rolle Syriens in der Region. „Die Syrer standen am Ende vor der Wahl, was besser ist – die al-Nusra-Front und der Islamische Jihad auf der einen Seite oder die Stärkung des syrischen Standpunktes durch die Abstimmung und damit der politische Sieg für Damaskus.“ Niemand habe vorher die Durchführung von Wahlen für möglich gehalten, nachdem die Armee seit zwei Jahren im Krieg sei, und doch habe sie gezeigt, dass sie Syrien kontrolliere, von Dara im Süden bis Aleppo im Norden. Es bleibe aber abzuwarten, ob diese Wahl eine Kehrtwende darstellt und mit einer politischen Öffnung einhergeht. Dafür fordert der Kommentar – nach bester libanesischer Tradition – eine Regierung der nationalen Einheit mit gleich vielen Ministerposten für Oppositionelle, Unabhängige und Anhänger der Regierung.