13.07.2011
Panzer für die Frauen

Ein Kommentar von Philipp Dehne

In den letzten Tagen ist viel über den beabsichtigten Verkauf von 200 Leopard-II-Panzern nach Saudi-Arabien geschrieben worden. Klarer sind die Hintergründe der Entscheidung nicht geworden. Dies liegt vor allem daran, dass die Entscheidungsträger der Koalition ihre ursprüngliche Geheimniskrämerei unverblümt fortsetzen. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel und Rainer Brüderle scheint nicht die Verkaufsentscheidung diskussionswürdig, sondern die Tatsache, dass Informationen aus dem Bundessicherheitsrat an die Öffentlichkeit gelangt sind. Einige der an der Entscheidung im Bundessicherheitsrat Beteiligten redeten vage von „strategischen Sicherheitsinteressen“ oder Saudi-Arabien als „einem der wichtigsten Stabilitätsanker in der Region“.

Nehmen wir an, dass hinter der Verkaufsentscheidung, die die Bundesregierung bisher weder offiziell bestätigt noch dementiert hat, tatsächlich eine wie auch immer geartete fundierte Überlegung steht und nicht eine private Vorteilsnahme beteiligter Akteure. Und ignorieren wir für einen kurzen Moment, dass ein Verkauf der Panzer an Saudi-Arabien sich einen Dreck um die „unverhandelbaren Menschenrechte“ (so kürzlich mal wieder Guido Westerwelle) scheren würde, auch, dass er gegen in Deutschland geltende Gesetze und Richtlinien verstieße und ebenso, dass sich der aktuelle Panzer-Deal in eine ganze Reihe von Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und die Rüstungsexportlinie einreihte, frei nach dem Motto „Ohne Deutschland darf nie wieder ein Krieg ausgehen“. Wie könnte solch eine fundierte Überlegung aussehen?

Folgt man den Stellungnahmen, die der Parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Hans-Joachim Otto, im Bundestag abgegeben hat, geht es um sicherheitspolitische Interessen, namentlich den Schutz Saudi-Arabiens gegenüber dem Iran. Allerdings bezeichnen Experten wie Guido Steinberg in einem Interview mit der BILD-Zeitung den Panzer-Deal als militärisch „irrelevant“ und Volker Perthes verweist im Gespräch mit dem Tagesspiegel darauf, dass sich Saudi-Arabien „sicherlich nicht mit Panzern“ auf eine Auseinandersetzung mit dem Iran vorbereiten würde.

Vielleicht geht es auch um das nur teilweise reale Gespenst des islamistischen Terrorismus, wie Verteidigungsminister de Mazière andeutete, als er Saudi-Arabiens strategische Bedeutung als Nachbarland des Jemens hervorhob, welcher „in großer Gefahr sei, ein fallender Staat zu werden - und der Terrororganisation al-Qaida noch mehr Raum zu geben“; ein Argument, dass allzu oft für die Begründung umstrittener Maßnahmen herangezogen wird.

Möglich ist, dass die strategischen Interessen eher wirtschaftlicher Art sind und dass der Panzer-Deal die Tür zum lukrativen saudischen Markt ein Stück weiter aufstoßen soll. Oder geht es um eine Mischung aus wirtschaftlichem und strategischem Interesse? Öl als Faktor zu erwähnen, mag manchem als abgedroschen erscheinen, aber nach den Ereignissen in Libyen ist die dortige Ölproduktion fast völlig zum Erliegen gekommen. Ein Szenario, das im Falle dauerhafter Unruhen in Saudi-Arabien und den anderen ölproduzierenden Golfländern auch eintreten könnte. Derzeit haben einige der Golfländer ihre Fördermengen erhöht, um den Weltmarkt zu beliefern. Wer würde seine Produktion erhöhen, falls die Golfstaaten mal eine Zeitlang „ausfallen“? Doch würde eine Begründung des Panzer-Deals nach dem letzten Muster nicht genau der Logik folgen, derentwegen Horst Köhler vor gut einem Jahr zurückgetreten ist: dem militärischen Einsatz zur Wahrung freier Handelswege und deutscher Handelsinteressen?

Die Beweggründe für die Entscheidung dürfen der Öffentlichkeit laut Ansicht der Beteiligten nicht mitgeteilt werden, die bisher angedeuteten strategischen Interessen sind wenig überzeugend und wirtschaftspolitische Interessen können nicht als offizielle Begründung dienen.

Was an dem Rüstungsdeal sichtbar wird, ist einmal mehr der Schlingerkurs der deutschen Außenpolitik. Anders kann sich der kundige Beobachter nicht erklären, dass Außenminister Guido Westerwelle die Ereignisse in Syrien mit scharfen Worten verurteilt, sich zu anderen Gelegenheiten gerne als Unterstützer des Arabischen Frühlings präsentiert und gleichzeitig eine Lieferung von 200 Leopard-II-Panzern an Saudi-Arabien für gut befindet. Unverständlich ist auch, dass die deutsche Regierung sich nicht an den militärischen Operationen gegen den libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi beteiligte, wo sie immer noch die Kontrolle gehabt hätte, wann und gegen wen hochmodernes Kriegsgerät eingesetzt wird, aber offensichtlich kein Problem darin sieht, hochmodernes Kriegsgerät, über das dann keine Kontrolle mehr besteht, nach Saudi-Arabien zum liefern, also an ein Land, das Proteste der eigenen Bevölkerung unterdrückt und sich mit Panzern an der Niederschlagung von Protesten in einem Nachbarland beteiligt hat.

Die Logik hinter dem Panzerdeal entspricht weder den veränderten Gegebenheiten in der Region noch deutscher außenpolitischer Rhetorik in Bezug auf die gegenwärtigen politischen Umbrüche, sondern torpediert letztere. Anders ausgedrückt: Panzer für das saudische Königshaus bilden den substantiellen deutschen Beitrag zum „Arabischen Frühling“. Wahrscheinlich wird die Bundesregierung sich bald wieder ihrer moralischen Verantwortung entsinnen und fordern, dass die deutschen Panzer nur von Frauen gefahren werden dürfen.

Christoph ist studierter Islam-, Politik- und Geschichtswissenschaftler mit Fokus auf Westasien. Der Mitgründer von Alsharq - heute dis:orient - war zwischen 2011 und 2014 bei der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Willy-Brandt-Zentrum in Jerusalem tätig. In Berlin arbeitet er als Geschäftsführer für Alsharq REISE. Christoph hält regelmäßig...