Die koptische Kirche hat einen neuen Papst: Theodoros II. Der 61-Jährige muss in Zeiten des Um- und Aufbruchs divergierende Interessen innerhalb der Kirche miteinander versöhnen – und seine Gläubigen nach außen hin schützen, ohne eine Isolierung von der Gesellschaft zu fördern. Eine Mammutaufgabe.
Für Bishoy Gerges Mossad war es ein außergewöhnlicher Moment: Nach altem koptischem Brauch zog der Junge heute in der Kairener Markus-Kathedrale mit verbundenen Augen den Namen des neuen koptischen Papstes aus einem Glaskasten, der mit rotem Wachs versiegelt gewesen war. Sieger dieses Lotterieverfahrens ist nun Weihbischof Tawadros, der heute Geburtstag feierte und dessen künftiger Titel auf Deutsch Theodoros II lauten wird.
Er konnte sich gegen Bischof Raphael und den Mönch Raphael Awa Mina durchsetzen. Alle drei hatten die Abstimmung im Kloster Wadi Natrun abgewartet und waren zu Beginn der vorigen Woche von einem Gremium, bestehend aus neun Bischöfen und neun Laien, in die finale Auswahlrunde gewählt worden, nachdem sie sich bereits gegen 14 weitere in einem ersten Wahlgang mit insgesamt 2412 Wahlberechtigten hatten durchsetzen könnnen.
Der 61-Jährige wurde am 4. November 1952 im oberägyptischen Mansoura als Wajih Sobhi Baki Solayman geboren, vor 15 Jahren zum Bischof ernannt und hat damit die formalen Kriterien erfüllt, nachdem ein Kandidat älter als 40 Jahre sein muss und mindestens 15 Jahre in einem Kloster gelebt haben soll. Erdiente im Bischofsamt bisher in al-Buhaira im nordwestlichen Nil-Delta, assistierte jedoch zugleich auch der bis zum vergangenen Sonntag als Interimspapst für die Übergangsphase seit dem Tod Papst Shenouds III. agierte.
Pharmazeut und liberal-konservativer Denker
Innerhalb der koptischen Kirche gilt Tawadros als Taube. Schließlich hatte er noch kürzlich öffentlich erklärt: „Wir teilen die gleiche Geschichte, Kultur und Wurzeln mit unseren muslimischen Brüdern und wir sollten unsere Kinder dazu ermutigen, dass sie die kirchliche Umgebung verlassen und sich mit der Gesellschaft vermischen.“
Diese und andere Sätze brachten dem in Alexandria und Großbritannien studierten Pharmazeuten das Wohlwollen vieler Laien ein, deren Rat sich nach Angaben der Tageszeitung „al-Ahram“ bereits vor dem Losverfahren ausgesprochen hatte und dessen „Weisheit, Bodenhaftung und Fähigkeit für ein gutes Verhältnis zwischen jedermann zu sorgen, Christen wie auch Muslimen“ gelobt hatte.
Gleichwohl gehen Kenner der Kirchenkreise nicht davon aus, dass man von ihm einen radikalen Kurswechsel erwarten könne, etwa in Fragen der hierarchischen Strukturen, die der im März dieses Jahres verstorbene Papst Shenouda III. maßgeblich ausgebaut hatte und die vor allem von jungen Kopten mehr und mehr in Frage gestellt werden.
Die kommenden Aufgaben sind kaum zu bewältigen
Am 18. November wird Tawadros feierlich als 118. Nachfolger des Evangelisten Markus auf dem Thron des Patriarchen „von Alexandria bei Ägypten, der Pentapolis und ganz Afrika“ eingeführt Zu diesem Anlass wird auch Präsident Mohammed Mursi erwartet, dessen Freiheits- und Gerechtigkeitspartei allen Kopten kurze Zeit nach Bekanntgabe des Ergebnisses gratulierte. Erst in den kommenden Monaten wird sich indes zeigen, ob die bislang im Land gebliebenen rund zehn Millionen Kopten über ihren neuen Papst wirklich jubeln können.
Dann, wenn sich zeigt, wie Tawadros mit dem schweren Los umgehen wird, die größte im Nahen Osten lebende Gemeinde autochthoner Christen in Zeiten des Um-, Auf- und Zusammenbruchs zu führen und zu vertreten, aber auch zwischen den verschiedenen Meinungen innerhalb der Kirche zu moderieren – zumal auch die Diasporagemeinden, die bei den Vorwahlen erstmals mitstimmen durften, auf mehr Mitspracherecht pochen. All das unter einen päpstlichen Hut zu bringen, gleicht einer kaum lösbaren Mammutaufgabe.