25.02.2025
Unhaltbare mentale Belastungen an tunesischen Schulen
Klassenzimmer. Foto: creative commons
Klassenzimmer. Foto: creative commons

Lehrerkräfte sind enormer psychischer und emotionaler Belastung ausgesetzt. In Tunesien hat deren mentale Gesundheit ein verheerendes Ausmaß erreicht, das von Mobbing bis zu Selbstmord reicht. Zeit zuzuhören.

Druck von allen Seiten

Lehrer:innen sind mit der Verantwortung betraut, junge Menschen zu formen – doch in vielen Fällen arbeiten sie für ein System, das mehr verlangt, als sie geben können. Akademische Standards im Unterricht zu erfüllen und dabei große Klassen mit vielfältigen Ansprüchen zu leiten, geht mit einem hohen Druck einher. Hinzu kommt, dass viele Lehrkräfte verbalem und emotionalem Missbrauch von Schüler:innen:innen und Eltern ausgesetzt sind und oft nur wenig Unterstützung von der Schulverwaltung erhalten. Dieses toxische Umfeld beeinträchtigt nicht nur ihr Wohlbefinden, sondern auch die Qualität ihres Unterrichts.

Die Auswirkungen auf die Psyche der Lehrer:innen sind oft langlebig. Depressionen, Angstzustände und sogar Selbstmordgedanken treten bei Lehrer:innen in erschreckend hoher Zahl auf. Die emotionale Belastung durch den Beruf führt dazu, dass viele Lehrer:innen isoliert sind und kaum Möglichkeiten zur Unterstützung oder Heilung haben. Doch trotz der sich häufenden Beweise bleibt die psychische Gesundheit von Lehrer:innen eine stille Krise.

Zeugnisse psychischen Stresses

Diese Entwicklung ist offensichtlich global. In einer Umfrage der Lehrkräfte Vereinigung NASWUT wurden von September 2023 bis Januar 2024 Daten von knapp 12.000 Lehrer:innen in den USA erhoben. Dabei stellte sich heraus, dass 84 Prozent der Lehrer:innen unter erhöhtem arbeitsbedingtem Stress litten, wobei 86 Prozent angaben, dass sich ihre Arbeit negativ auf ihre psychische Gesundheit auswirkte. Die Hauptfaktoren für diesem Stress sind die Arbeitsbelastung (54 Prozent) und das Verhalten der Schüler:innen (36 Prozent).

„Der Lehrer:innenberuf ist extrem anspruchsvoll“

Die harte Realität, die sich hinter diesen Zahlen verbirgt, macht sich auch in Tunesien immer sichtbarer. Donia, eine 39-jährige Englischlehrerin am Gymnasium, kann den täglichen Kampf der Lehrkräfte bestätigen: „Unterrichten ist ein extrem anspruchsvoller Job, und [einige] Schüler:innen machen es uns nicht leicht“, erklärt sie. „Ich unterrichte seit acht Jahren und habe mit Leidenschaft und Hingabe angefangen. Dann aber kam der Realitätscheck.“ Donia beschreibt, wie das respektlose Verhalten der Schüler:innen, ihrer Eltern und deren Abwehrhaltung die Herausforderungen für die Lehrer:innen verschärfen: „Ein Schüler fragte mich einmal: 'Warum sollte ich Sie respektieren?'“, erinnert sie sich, bevor sie hinzufügt: „Die Eltern sind heutzutage beleidigender als ihre Kinder, sie verteidigen deren schlechtes Verhalten und untergraben unsere Autorität.“

Überfüllte Klassen und eine schwache Bildungsinfrastruktur in Tunesien verschärfen das Problem der Respektlosigkeit innerhalb und außerhalb der Klassenzimmer. „Stellen Sie sich vor, Sie unterrichten 40 Teenager in einem Klassenzimmer“, sagt Donia, „mit unterschiedlichen Lerntypen, sozialen Problemen und Respektlosigkeit in all ihren Formen ist das überwältigend.“ Die große Anzahl von Schüler:innen pro Klasse macht es den Lehrerkräften unmöglich, sich individuell um Einzelne zu kümmern. Das führt einer geringeren Beteiligung am Unterricht und erhöhtem Stress für die Lehrer:innen.

Donias Erfahrungen spiegeln das allgemeinere Problem schwerer psychischer Probleme bei Lehrer:innen wider: „Ich habe unter leichten Depressionen gelitten, die auf respektlose Situationen zurückzuführen sind, in denen man von den Schüler:innen nicht als Mensch angesehen wird“, erzählt sie. „Respektloses Verhalten, Anschreien, Fluchen und Cybermobbing [von Lehrer:innen] durch gefälschte Profile sind keine Seltenheit. Jedes neue Schuljahr löst Ängste und Stress aus. Aber die Verwaltung gibt den Lehrerkräften immer noch die Schuld für 'schlechtes Klassenmanagement'“.

Der tragische Fall von Fadhel Jallouli

Der Fall von Fadhel Jallouli ist ein tragisches Beispiel dafür, welche Folgen diese Umstände haben können. Der 50-jährige Lehrer des Ibn Charaf Gymnasiums in Chebba in der Region Mahdia nahm sich am 28. November 2024 das Leben, nachdem er unter dem unerbittlichen Mobbing seiner Schüler:innen gelitten hatte. Sie hatten Videos von ihm in peinigenden Situationen in Umlauf gebracht. Dieser Vorfall löste unter Lehrkräften große Besorgnis aus und führte dazu, dass Schüler:innen und Eltern einen gesetzlichen Schutz gegen Mobbing und Belästigung forderten. Viele Lehrer:innen traten in den Streik, kritisierten das Schweigen des Bildungsministeriums und verlangten sofortige rechtliche Maßnahmen.

Forderungen nach sofortigem Handeln

Mangelnde Unterstützung und fehlende Ressourcen verstärken die psychische Belastung der Lehrerkräfte. „Es sollte ein gesundes Umfeld für Lehrer:innen geben, damit sie bessere Leistungen erbringen können, aber das Ministerium unternimmt nichts dagegen“, so Donia. „Die Arbeitsbelastung ist überwältigend, und jegliche Unterstützung oder Veränderung bleibt aus.“

Der Mangel an psychosozialer Betreuung und professioneller Unterstützung für Lehrer:innen in tunesischen Bildungseinrichtungen ist alarmierend. Lehrer:innen wie Donia und Fadhel stehen stellvertretend für die vielen Lehrkräfte, die mit psychischen Problemen zu kämpfen haben, ohne dass es eine angemessene Infrastruktur, ein entsprechendes Bewusstsein oder gesetzlichen Schutz gibt. Wenn sich nicht sofort etwas ändert, könnten solche tragischen Vorfälle eskalieren. Die Folgen wären verheerend.

 

 

 

 

Rihab Amri is an ESL teacher at Intellect Academy X British Council, also a film translator and a journalist. She is majored in English studies and minored in Media and Journalism at the High Institute of Languages of Gabes and currently conducting her MA thesis on “The Role of Arab Women Reporters in Countering Media Stereotypes in The Arab World...
Redigiert von Sören Lembke, Hannah Jagemast
Übersetzt von Claire DT