Als Teil ihres Kampfes gegen islamistischen Extremismus schickt die marokkanische Regierung als erstes islamisches Land Frauen als Predigerinnen in muslimische Gemeinden. Etwa 30 so genannte Murshidat - zu deutsch etwa: Führerin, Unterweiserin - wurden in den vergangenen 12 Monaten ausgebildet um gläubige Muslime "zu begleiten und ihnen Orientierungshilfe zu geben", erklärte Muhammad Mahfudh, Mitarbeiter des Ministeriums für islamische Angelegenheiten, dem Nachrichtensender al-Jazeera.
Für einen Lohn von 5000 Dirham, umgerechnet etwa 650 Euro, sollen die jungen Frauen vor allem in sozialen Brennpunkten, wie etwa Gefängnissen oder armen Vorstädten zum Einsatz kommen. Gerade diese Orte waren in der Vergangenheit ein beliebtes Rekrutierungsgebiet für islamistische Gruppen. Die Idee zur Ausbildung weiblicher Predigerinnen wurde in Marokko nach den Anschlägen in Casablanca am 16.Mai 2003 geboren, bei denen 45 Menschen getötet wurden. Die Selbstmordattentäter stammten alle aus Armensiedlungen Casablancas.
Gleichwohl legen die Murshidat Wert auf die Feststellung, dass sie nicht die Rolle eines Imams, also Vorbeters in einer Moschee, einnehmen wollen. "Das Imamat ist im Islam ausschließlich auf Männer beschränkt, die ein Gebet führen dürfen - besonders das Freitagsgebet.", erklärt etwa Marzuk, diplomierte Literaturwissenschaftlerin, die den Koran nach eigenen Angaben auswändig kennt. "Die Murshidat werden religiöse Diskussionen führen, Islamunterricht geben, Leuten in Schwierigkeiten moralische Unterstützung gewähren und die Gläubigen zu einem toleranten Islam anleiten." Die 12-monatige Ausbildung umfasste neben theologischen Studien auch Psychologie, Soziologie, Computerkenntnisse, Wirtschaft und Recht.
Marokkos Islamisten stehen der Initiative zwiespältig gegenüber. Auf der einen Seite erklärte Mustafa Ramid, Parlamentsabgeordneter der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung, die Etablierung der Murshidat, sei eine "positive Entwicklung", die jedoch kaum relevant sei, da Frauen und Männer im Islam eh gleichberechtigt seien.
Der Chef der Jugendorganisation der wichtigsten islamistischen Bewegung des Landes, al-Adl wa al-Ihsan (Gerechtigkeit und Wohltatigkeit), Hasan Bennajih, sagte AFP, die Kräfte, die diese Initatiative stützten seien die gleichen, die an anderer Stelle gegen den Islam arbeiteten. "Die Murshidat werden, wenn überhaupt, nur begrenzten Einfluss auf die Bevölkerung haben."