18.12.2006
Libyen: Warten auf Urteil im HIV-Prozess

Mit großer Spannung wartet man in Libyen auf das morgige Urteil im HIV-Prozess gegen fünf bulgarische Krankenschwestern und einen palästinensischen Arzt. Den Angeklagten wird vorgeworfen Ende der der 1990er Jahre in einem Krankenhaus der Hafenstadt Benghazi vorsätzlich 426 Kinder mit dem HI-Virus infiziert zu haben. Die Staatsanwaltschaft fordert die Todesstrafe für die Mediziner.

In einem ersten Verfahren wurden Kristijana Waltschewa, Nasja Nenowa, Walentina Siropulo, Walja Tscherwenjaschka und Snejana Dimitrowa sowie Aschraf al-Hajuj 2004 bereits zum Tode durch ein Erschießungskommando verurteilt, der Oberste Gerichtshof Libyens hob diese Entscheidung jedoch später wieder auf.

Die Verteidigung argumentiert, die HIV-Epidemie in dem Kinderkrankenhaus sei bereits vor dem Eintreffen der Krankenschwestern 1998 ausgebrochen und Folge der miserablen hygienischen Zustände in dem Hospital gewesen. Diese Darstellung wurde erst vor wenigen Tagen von der Fachzeitschrift "Nature" gestützt. Blutbilder der infizierten Kinder deuteten demnach darauf hin, dass sich diese zum Teil schon Jahre vor der Ankunft der Europäerinnen mit dem Immunschwächevirus angesteckt hätten.

Gleichwohl ist der Druck auf das Gericht, der von Angehörigen der Opfer und der libyschen Presse ausgeübt wird, ungeheuer hoch. Die staatlich gelenkten Medien des Landes fordern lautstark eine Verurteilung der Beschuldigten. Diese würde jedoch die Annäherung Libyens an den Westen ernsthaft gefährden. Seit der 2003 von Revolutionsführer Gaddafi öffentlich erklärten Aufgabe der Massenvernichtungswaffen-Programme ist der nordafrikanische Staat bemüht, Kapital aus der EU und den USA ins Land zu holen.

Die Vereinigten Staaten versuchen nun offenbar in letzter Minute ein Todesurteil gegen die Mediziner zu verhindern. Mit David Welch schickte das State Department am Freitag jenen Beamten nach Tripoli, der bereits 2003 maßgeblich an den Verhandlungen mit Libyens Staatsführung beteiligt war. Dabei steht noch immer die Zahlung von Kompensationen, dem sogenannten "Blutgeld", im Raum. Bulgariens Regierung hat einen solchen Schritt jedoch vehement abgelehnt, da dies einem Schuldeingeständnis gleichkomme.