Der gestrige Anschlag auf den libanesischen Parlamentsabgeordneten Walid Eido hat die Krise im Libanon weiter verschärft. Der sunnitische Parlamentarier der Future-Bewegung, der stärksten Kraft des Regierungslagers, ist eines von zehn Todesopfern des Autobomben-Anschlags im West-Beiruter Stadtteil al-Manara. Unter den Getöteten befinden sich auch sein Sohn Khaled, zwei Bodyguards, sowie zwei Basketballer des traditionsreichen Sportclubs al-Nejmeh.
Die Bombe detonierte gestern um 17:30 Uhr Ortszeit in unmittelbarer Nähe des Luna-Parks, einem unter Beiruter Familien sehr beliebten Freizeitpark direkt am Ufer des Mittelmeers, hier ein Augenzeugenbericht. Damit hat die neuerliche Anschlagswelle, die den Libanon in den vergangenen Wochen erschüttert, eine neue Dimension erreicht. Bislang explodierten die Bomben, die seit Ausbruch der Kämpfe zwischen der libanesischen Armee und der extremistischen sunnitischen Fatah al-Islam gelegt wurden, in den späten Abendstunden. Diesmal detonierte der Sprengsatz am hellichten Tag an einem sehr belebten Platz. Unklar ist bisher, ob Eido zufällig Opfer des Anschlags wurde oder gezielt angegriffen wurde. Seit Februar 2005 ist der 65-jährige der fünfte libanesische Politiker, der bei einem Attentat getötet wurde. Alle ermordeten Parlamentarier waren Gegner der syrischen Einflussnahme auf die libanesische Politik.
Walid Eido war während des libanesischen Bürgerkriegs Mitglied der nasseristischen Al-Murabitun-Miliz, die pan-arabische Ideale vertrat und ein enger Verbündeter der PLO im Libanon war. Nach dem Krieg wurde der Jurist Eido zum Staatsanwalt für den Nordlibanon ernannt, musste diesen Posten aber nach Bestechungsvorwürfen räumen. im Jahr 2000 zog Eido ins libanesische Parlament ein, sein Mandat konnte er bei den Wahlen 2005 verteidigen. Seine Machtbasis hatte der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Parlament im Beiruter Stadtteil Basta, einem mehrheitlich von Sunniten bewohnten Viertel in der Beiruter Innenstadt.
Der Anschlag ereignete sich drei Tage nachdem der UN-Sicherheitsrat in der UN-Resolution 1757 die Bildung eines Tribunals beschlossen hatte, das die Attentate auf Rafiq Hariri und andere Politiker aufklären soll. Walid Eido war entschiedener Fürsprecher dieses Tribunals, indem ausländische und libanesische Richter vertreten sein sollen. Die Opposition um die schiitischen Parteien Hizbollah und Amal, sowie die christlichen Parteien "Free Patriotic Movement" und al-Marada von Michel Aoun und Suleiman Franjieh lehnen die Schaffung des Gerichts nach dem beschlossenen Muster ab. Ähnlich wie Staatspräsident Emile Lahoud betrachten sie das UN-Tribunal als unzulässige Einmischung un die inneren Angelegenheiten des Libanon. Sie zweifeln an der Unvoreingenommenheit des Gerichts, indem sie ein Instrument der USA sehen, ihren Einfluss auf den Libanon zu stärken und die syrische Staatsführung zu diskreditieren.
Die Politik im Libanon reagierte auf den gestrigen Anschlag wie immer. Unisono äußerten alle Gruppen ihre Bestürzung über den Tod des "Märtyrers" Walid Eido. Führende Köpfe des Regierungslagers wie Drusen-Führer Walid Jumblatt oder der Minister Marwan Hamadeh beschuldigten Syriens hinter dem Attentat zu stecken, Präsident Lahoud sprach abstrakter von "Feinden des Libanon". Gleichzeitig sprachen Politiker beider Lager von der Notwendigkeit sich endlich auf die Bildung einer gemeinsamen Regierung zu einigen. Dass der jüngste Anschlag dafür den Anstoß gibt, sit jedoch äußerst fraglich.
Zur Stunde versammeln sich in den Straßen Beiruts Zehntausende um von Walid Eido und seinen Begleitern Abschied zu nehmen.