Nur 20 Minuten vom Eingang zur historischen Zitadelle von Kairo erhebt sich eines der groessten Elendsviertel der aegyptischen Hauptstadt entlang der Auslaeufer der Muqattam-Berge. Knapp 100000 Menschen leben in der so genannten Muellstadt. Etwa ein Drittel des Muells der sich im Moloch Kairo ansammelt wird hierher gebracht, von den Bewohnern sortiert und verwertet.
Das Viertel liegt hinter einer Bergkuppe, so dass es von der Innenstadt nicht zu sehen ist. Hinter einer Kurve der Ausfallstrasse tauchen unvermittelt die ersten Haueser mit ihren charakteristischen, unverputzten roten Ziegeln auf. Lastwagen, die bis ueber die Fahrerkabine mit unzaehligen riesigen Muellsaecken beladen sind, fahren ebenso in Richtung Muellstadt wie Pick-Ups mit Tierabfaellen. Mehrere tausend Tonnen Muell werden hier pro Tag herangekarrt.
In den Haeusern entlang der Hauptstrasse sind ganze Familien damit beschaeftigt, den Muell zu sortieren. Maenner schuften an Oefen in denen Plastik geschmolzen wird, Kinder raeumen Glasflaschen ordentlich in dafuer vorgesehene Kisten. An fast jedem Haus prangen Kreuze, Bilder von Jesus oder Maria, denn praktisch alle Familien hier sind Christen, die der koptischen Kirche in Aegypten angehoeren.
In einigen Haeusern tuermt sich der Muell auf mehreren Etagen bis unters Dach, Flaschenzuege auf den Daechern transportieren die Muellsacke aufwaerts. Esels- und Pferdekarren siehen ueber die schmale Hauptstrasse. Die Leuchtreklame der oertlichen Bank und das knallige Orange des Handyladens scheinen hier gar nicht herzupassen. Dazwischen leben Ziegen und Schweine, die sich allesamt vom Muell ernaehren. Auf vielen Daechern stehen Taubenturme, die Voegelk kreisen in Scharen ueber die Haeuserzeilen.
Der beissende Gestank in der Luft ist schon bei 20 Grad kaum zu ertragen und man mag sich kaum ausmalen wie sich der Geruch im Sommer weiter verstaerkt. Welche Folgen das Leben hier fuer die Gesundheit der Menschen hat, ist ebenso kaum vorstellbar. Dennoch ist die Arbeit der Menschen fuer die Stadt Kairo ueberlebenswichtig. Die ohnehin nach europaeischen Massstaeben schmutzige Stadt haette vermutlich ein noch groesseres Problem gaebe es die Zabalin, die Muellsammler, nicht. Doch auch die Muellstadt scheint am Ende ihrer Kapazitaeten angelangt zu sein, beim Blick von oben zeigt sich, dass sich in einigen Haeusern selbst auf dem Dach Muellacke lagern, zwischen denen Ratten umherwuseln.
Oberhalb des Viertels haben die Kopten einige natuerliche Hoehlen des Muqattam-Berges in Kirchen umgewandelt. Die groesste von ihnen, die St.Samaan-Kirche, wirkt wie ein unterirdisches Amphittheater und bietet bis zu 20000 Glaeubigen Platz. Daneben ist in die Bergwand der Satz aus dem Matthaeus-Evangelium gehauen worden: "Ich habe meinen Sohn aus Aegypten gerufen."