Am 23. Januar wählten die Jordanier ein neues Parlament. Wesentliche Veränderungen waren im Hashemitischen Königreich nicht zu erwarten: Das Wahlrecht sorgt für Ergebnisse zugunsten der Königstreuen. Doch die Proteste der Regime-Kritiker werden 2013 weitergehen, berichtet Andreas Wutz aus Amman.
Eine wirkliche Überraschung ist das Ergebnis der jordanischen Parlamentswahl nicht: Nach Auszählung aller Stimmen errangen königstreue Konservative und Stammesvertreter ca. 90 % der 150 Parlamentssitze. Nach amtlichen Angaben haben ca. 56,7 % der knapp 2,4 Millionen registrierten Wählerinnen und Wähler am vergangenen Mittwoch ihre Stimme abgegeben – trotz eines Wahlboykotts der Muslimbruderschaft sowie kleinerer Oppositionsparteien. Berücksichtigt man allerdings die Dreiviertel Million Wahlberechtigten, die auf eine Registrierung verzichtet hatten, liegt die Wahlbeteiligung bedeutend niedriger bei nur 43 %.
Wahlbeobachter der Arabischen Liga bezeichneten die Abstimmung im Großen und Ganzen als fair, wiesen aber auf kleinere Unregelmäßigkeiten und Mängel hin. Eine abschließende Einschätzung der Wahlbeobachter der Europäischen Union liegt noch nicht vor.
Den ersten Hochrechnungen folgten vereinzelt Ausschreitungen
Nachdem die ersten amtlichen Zwischenergebnisse vergangenen Donnerstag an die Öffentlichkeit gelangten, kam es in mehreren Städten zu Ausschreitungen. Nach Augenzeugenberichten setzten Gruppen von Jugendlichen in Ma’an, ca. 220 km südlich von Amman, aus Enttäuschung über das Wahlergebnis Schulen und andere öffentliche Gebäude in Brand. Rufe wie „Wahlfälschung“ und „Das Volk möchte den Sturz des Regimes“ sollen zu hören gewesen sein. Die Polizei setzte Tränengas ein, um die Menschenmenge zu zerstreuen. In Mafraq, nördlich von Amman gelegen, errichteten Anhängern rivalisierender politischer Lager Straßenbarrikaden aus brennenden Reifen.
Die Muslimbrüder, Jordaniens am besten organisierte politische Gruppierung, sowie verbündete Oppositionsparteien erneuerten ihren generellen Vorwurf des Wahlbetrugs – allerdings ohne konkrete Fälle zu benennen. Ihre Anhängerschaft setzt sich vor allem aus den in den urbanen Ballungszentren lebenden Jordaniern palästinensischer Herkunft zusammen. Sie stellen mittlerweile die Bevölkerungsmehrheit, sind im Vergleich zu den alteingesessenen beduinisch geprägten Stämmen aber politisch und gesellschaftlich nach wie vor schlechter gestellt.
Reformen des Wahlrechts blieben bislang bestenfalls oberflächlich
Die Muslimbrüder fordern seit geraumer Zeit, dass mindestens die Hälfte der 150 Parlamentssitze für Parteien reserviert werden. Das gegenwärtige, stark personalisierte Wahlrecht bevorzugt unabhängige Kandidaten gegenüber politischen Parteien. Die kürzlich beschlossenen Änderungen des Wahlrechts sehen zwar eine Zweitstimme für landesweite Listen vor, betreffen aber nur 27 Mandate. Damit sind diese Anpassungen eher kosmetischer Natur.
Die Opposition fordert zudem seit geraumer Zeit eine weitergehende Kompetenzübertragung auf das Parlament. Zwar wird den neu gewählten Abgeordneten nun das Recht zugestanden, nach Beratung mit dem König den Ministerpräsidenten sowie das Kabinett zu wählen. Die Kompetenzen König Abdullahs II., der die Wahlen als Meilenstein des selbstproklamierten demokratischen Reformprozesses bezeichnete, werden in der Substanz allerdings kaum angetastet: Auch in Zukunft wird er nach Gutdünken die Regierung abberufen sowie das Parlament auflösen können.
Der König kann Parlament und Kabinett weiter nach Belieben auflösen
Insofern bringen auch diese Wahlen keine entscheidenden Veränderungen der politischen Situation in Jordanien. Zudem besitzt die zukünftige Regierung bereits vor ihrer Wahl ein gravierendes Legitimationsdefizit, da mit der Muslimbruderschaft die wichtigste Oppositionspartei nicht im Parlament vertreten ist.
Ein Ende der im ganzen Land immer wieder aufflackernden Proteste rückt in weite Ferne, zumal es zu den ersten Amtshandlungen der neuen Regierung gehören wird, die Energiesubventionen weiter zurückzufahren. Die letzte Kürzungsrunde, welche Benzin und Gas im November um teils über 60 % verteuerte, führte zu Massenprotesten im ganzen Land. Jordanien wird also auch 2013 nicht zur Ruhe kommen.