22.06.2017
Interview mit Qutaiba Abdelhaq: „Das Video erzählt eine unbeschreiblich schöne Nachricht“
"Begegne deinem Feind mit Frieden, nicht Krieg". Qutaiba Abdelhaq spielt in Zains Ramadan-Video einen Selbstmordattentäter, der dank der Erfahrung von Akzeptanz und Liebe seitens seiner Mitmenschen dem Terrorismus abschwört. Foto: Screenshot des Videos.
"Begegne deinem Feind mit Frieden, nicht Krieg". Qutaiba Abdelhaq spielt in Zains Ramadan-Video einen Selbstmordattentäter, der dank der Erfahrung von Akzeptanz und Liebe seitens seiner Mitmenschen dem Terrorismus abschwört. Foto: Screenshot des Videos.

Zu Beginn des Ramadan hat die Telekommunikationsfirma Zain ein Musikvideo veröffentlicht, das viral durch die Decke ging und international als Botschaft gegen Extremismus und Gewalt gehypet wurde. Sharqistin Laura Overmeyer sprach mit Qutaiba Abdelhaq, dem jordanischen Schauspieler, der die tragende Rolle des zum Guten bekehrten Selbstmordattentäters spielt.

Alsharq: Qutaiba, Du hast in einem von dem kuwaitischen Telekommunikationsanbieter Zain produzierten Musikvideo mitgespielt, das als der diesjährige „Ramadan-Hit“ gefeiert wurde. Worum geht es in Lied und Video?

Qutaiba Abdelhaq: Das Hauptkonzept ist, dass wir Gewalt, Hass und Ausgrenzung mit Freundlichkeit und Liebe bekämpfen sollen. Ich spiele in dem Video einen Mann, der einen Selbstmordanschlag plant. So beginnt das Video: Ich sitze in einem dunklen Raum, bereite die Ausrüstung vor und habe negative Gedanken und Intentionen. Doch im Verlaufe des Videos begegne ich fortwährend Menschen, die mir gegenüber Verständnis und Akzeptanz zeigen. Diese Reaktionen überwältigen mich, ich bin erschrocken und verwirrt. Doch nach und nach beginne ich, ihre Freundlichkeit und Liebe anzunehmen und kann so meine eigenen negativen Gedanken und Intentionen vergessen. Und am Ende des Videos feiere ich dann mit den anderen gemeinsam auf einer Hochzeit und küsse Babys…

Diese Nachricht kommt ja auch ganz deutlich in dem Liedtext zum Vorschein, zum Beispiel durch: „Bete deinen Gott mit Liebe an, nicht mit Terror / Sei liebevoll in deinem Glauben, nicht hart / Begegne deinem Feind mit Frieden, nicht Krieg / Überzeuge andere mit Nachsicht, nicht Gewalt“. Weißt Du, wer den Text geschrieben und das Konzept erarbeitet hat?

Nein, leider nicht, das ganze Projekt ist eine Kooperation von Zain und der libanesischen Produktionsfirma Beirutworks. Ich weiß nicht, wer das Lied geschrieben hat, aber ich liebe es. Die Worte sind sehr kraftvoll und beeindruckend. Außerdem ist es auch musikalisch vielschichtig mit den verschiedenen Stilelementen – von Koran-Rezitation bis Arab Pop. Vor allem die Rezitation der Kinderstimme am Anfang finde ich persönlich sehr bewegend. Teilweise ist der Text recht kontrovers, aber ich glaube, dass er die Nachricht auch gerade deshalb perfekt herüberbringt.   Was meinst Du damit? Nun, manche stören sich an Ausdrücken wie: „Lasst uns Hass mit Liebe bombardieren“. Aber ich denke, dass eine kontroverse Terminologie uns vielleicht dazu bringen kann, über negative Konnotationen hinwegzublicken, die Distanz zu dem Thema zu überwinden und schließlich anzufangen, auf persönlicher Ebene Gewalt zu bekämpfen, nämlich indem wir Liebe verbreiten.

"Das Video wendet sich gegen Gewalt und Hass im Allgemeinen"

Kritische Stimmen haben angemerkt, dass sich Terrorismus nicht bloß auf der persönlichen Ebene bekämpfen lässt und das Video die nationalen und internationalen politischen Strukturen und Akteure übersieht, die selbst Gewalt verbreiten und Terrorgruppen hervorbringen. Was hältst du von dieser Kritik?

Ich glaube, dass diese Kritiker das Video selbst missverstanden haben. Es geht darin nicht allein um Terrorismus oder gar eine spezielle terroristische Gruppierung. Das Video wendet sich gegen Gewalt und Hass im Allgemeinen und deren Folge, den Terrorismus. Gewalt kann auf verschiedenen Ebenen ausgeführt werden, angefangen vom Individuum bis hin zum Staat. Und sie drückt sich nicht bloß in Bombenanschlägen aus, sondern passiert auch auf viel subtilere Weise, beispielsweise durch Mobbing in der Schule. Natürlich kann man mit solch einem Video nicht internationale Terrororganisationen wie den „Islamischen Staat“ zerschlagen. Aber ich glaube, dass die Wurzeln von Gewalt in Hass und Exklusion auf der persönlichen Ebene liegen – und hier setzt das Video an.

Das Video hat viel Aufmerksamkeit erlangt, nicht nur in der arabischen Welt. Mehrere internationale Medien haben darüber berichtet. Woran, denkst du, liegt das?

Ich weiß es nicht, ich bin selbst überrascht, dass es so erfolgreich ist. Aber ich denke, den Menschen gefällt die Botschaft, insbesondere in der heutigen Zeit. Das Video spricht für all die Opfer von Gewalt und Terror und verbreitet gleichzeitig ein positives Bild des Islam. Alles in allem hat das Projekt eine unbeschreiblich schöne Nachricht. Ich bin stolz, ein Teil davon zu sein.

Und die Tatsache, dass das Lied vom bekannten emiratischen Sänger Hosein al-Jasmi gesungen wurde, hat bestimmt auch nicht geschadet…

Ja, das stimmt, seine Mitwirkung hat uns viel Aufmerksamkeit beschert. Aber mindestens genauso viel Aufmerksamkeit hat wahrscheinlich die Tatsache bekommen, dass auch wirkliche Opfer von Bombenanschlägen in dem Video mitspielen, beispielsweise die jordanische Braut, auf deren Hochzeit im November 2005 ein Bombenanschlag verübt wurde.

"Das ist die wirkliche Nachricht des Ramadan"

Das Video erschien am 26. Mai, dem ersten Tag des Fastenmonats Ramadan. Warum gerade zu diesem Zeitpunkt?

Viele Menschen vergessen, worum es im Ramadan wirklich geht: Nämlich nicht bloß um das Fasten, sondern viel mehr um gute Energie. Muslime sollen Mitgefühl zeigen; erfahren, an was es Menschen in Not fehlt; einander lieben; akzeptieren, dass es auch Gutes gibt auf der Welt. Das ist die wirkliche Nachricht des Ramadan – und viele Menschen vergessen sie. Das ist der eine Grund. Der andere ist, dass der Aufruf zur Nächstenliebe in der heutigen Zeit – mit all der Gewalt und den terroristischen Angriffen – natürlich dringender ist denn je. Terroristen und Menschen, die Gewalt verüben wollen, tun dies oft an öffentlichen und religiösen Feiertagen, wenn die Menschen abgelenkt sind. Es ist unmenschlich und schrecklich. Mit dem Video geben wir den Menschen eine Nachricht, die sie im Ramadan aufheitert und die sie daran erinnert, dass sie als einzelne Personen auch Gutes bewirken können, indem sie freundlich sind und voller Liebe.   

Vielen Dank für das Gespräch!

Laura hat Islamwissenschaft, Soziologie und Entwicklungsstudien in Hamburg, Birzeit, Teheran und London studiert. Seit 2014 engagierte sie sich im Verein. Zunächst war sie vor allem im Bereich Magazin aktiv, inzwischen ist sie als Vorstandsmitglied vor allem in interne Kommunikations- und Organisations- prozesse eingebunden. Hauptberuflich...