Ein Freund von uns befindet sich momentan in Damaskus und geriet durch Zufall in den Staatsbesuch des venozalanischen Staatschefs Hugo Chavez - Hier sein Bericht:
In Zeitungen im Internet is zu lesen, dass Chavez als Volksheld in Damaskus empfangen wurde und vom Volk gefeiert wurde... ich hab oft die Erfahrung gemacht, dass man nichts vom Besuch wusste bzw. der Name Chavez unbekannt war....gestern bin ich durch Zufall in den besuch gestolpert........
Bei einem morgendlichen Spaziergang durch Damaskus, wenn die ersten Sonnenstrahlen die Häuserdächer streifen und durch die Straßen noch ein sanfter, kühler Luftzug weht, trifft man in der Regel nur auf einzelne Ladenbesitzer, die ihr Geschäft für den bevorstehenden Arbeitstag vorbereiten. Im Suq al-Hamediyeh bleiben die Rolläden noch geschlossen, bis sich die Sonne schon weit erhoben hat, die Sonnenstrahlen durch die Einschusslöcher der halbrunden Überdachung auf den Boden fallen und die Menschen in der Kühle des Schattens beginnen ihre Einkäufe zu erledigen.
Verlässt man am frühen Morgen den dunklen Suq durch das westliche Tempeltor, gelangt man auf den Vorplatz der Umayyadenmoschee, auf dem gewöhnlich nur gelangweilte Tauben anzutreffen sind, die auf ihr Frühstück von den ersten Besuchern warten.
An diesem Morgen jedoch werde ich unter dem hohen römischen Bogen von einigen mit schwarzem Anzug und Sonnenbrille bekleideten Gestalten empfangen, die mich höflich aber bestimmt auffordern meine Kamera wegzustecken. In Anbetracht der verdächtig grossen Ausbeulungen unter ihren Jacketts leiste ich dem zunächst Folge und frage dann nach dem Grund unserer Begegnung. Die Antwort fällt kurz aus, bestehend aus einem Stirnrunzeln und einer in die entgegengesetzte Richtung weisende Hand. Zwei weitere Männer, die sich neben mir postiert haben, greifen mich unter den Achseln und schieben mich an den Rand zu einer bereits wartenden Menschentraube. Aus dieser blicken mich neugierige und verwunderte Gesichter an, die jedoch nach Erfragen meiner Nationalität ihren freundlichen Charakter offenbaren. Ob ich denn auch auf dem Weg zum Morgengebet bin, werde ich gefragt, muss dies aber Verneinen und ernte daraufhin skeptisch musternde Blicke, die Ihr Unverständnis für meinen morgendlichen Spaziergang ausdrücken.
Unter den Anwesenden flammt eine Diskussion über das Verhindern ihres morgendlichen Salats auf, denn keiner scheint den Grund unseres Wartens zu kennen. Hälse recken sich, um einen Blick auf den Eingang zu erhaschen, alle können aber nur geschlossene Pforten sehen.
Mein Blick schweift über den vor mir liegenden Platz und die Erklärung für den Anlass all dessen hier ergibt sich von selbst. Zwischen nervös umherfliegenden Taubenschwärmen wehen in brüderlicher Eintracht venezolanische und syrische Flaggen. Die bunten Fahnen und die bunt geschmückten Ladenfenster vermitteln eine jahrmarktaehnliche Atmosphäre und ich erinnere mich an die Transparente und Plakate in der Stadt, die den Besuch des venezolanischen Regierungschefs angekündigt haben - "Heisst Ihn willkommen" - "Gemeinsam gegen den amerikanischen Imperialismus"
Neben dem Haupteingang der Moschee stehen drei schwarze Limousinen, von denen aus das Ausschwärmen der Geheimdienstler koordiniert wird. Jeder Ecke des Platzes ist ein grimmig dreinblickender, mit vor den Hüften verschränkten Armen, Sicherheitsbeamter zugewiesen.
Aus dem Halbdunkeln hinter mir tritt ein fein gekleideter Scheich, der, Koranverse rezitiernd, auf die Front von Geheimdienstlern zuschreitet. Verunsicherte Blicke werden ausgetauscht, man tritt auf ihn zu und weist ihn daraufhin, doch bitte auf die Seitengänge auszuweichen. Dieser schenkt den Aufforderungen keine Beachtung, läuft mit sicherem Schritt durch den Torbogen, wird erst einige Meter weiter zum Stehen gebracht und diesmal mit einigem Nachdruck zum Umkehren aufgefordert. Sofort entbrennt auch hier eine Diskussion über das Hindern am morgendlichen Salat. Unterstützende Rufe kommen aus meiner Umgebung, verebben jedoch schnell wieder bei Realisieren der Nutzlosigkeit dessen. Widerwillig gesellt sich der Scheich zu uns, Zigaretten werden verteilt, sitzend, schweigend wird geraucht in der Gewissheit, dass das heutige Gebet wohl einige Zeit verspätet begonnen wird.
Immer wieder werden wir um einige Meter verschoben, erobern uns aber bei einer Unachtsamkeit der Beamten den Platz zurück, um nicht den Eingang der Moschee aus den Augen zu verlieren.
Plötzlich bricht Hektik unter den Sicherheitskräften aus, von der ersten Höflichkeit ist nicht mehr viel übrig geblieben und wir werden in die Dunkelheit der seitlichen Gänge geschoben. Von hier lässt sich der Eingang nur noch schwer erkennen, ich spüre wie sich ein Ellenbogen auf meiner Schulter abstützt.
Einige schwarze Limousinen rollen auf den Platz und positionieren sich in einem Halbkreis vor dem grossen Eingang. Auf der linken Seite wird noch ein Kanal für die lange, mit zwei syrischen Fahnen geschmückte Limousine Assads offen gelassen. In dem Gewimmel aus Kamerateams, geladenen Gästen und hochrangiger Militärs lassen sich nur die Köpfe von Assad und Chavez ausmachen.
Zusammen betreten sie den Innenhof der Umayyadenmoschee, in dem noch schnell die letzten Wasserschläuche aufgerollt und die Reinigungsfahrzeuge abgestellt werden.
Wir sind inzwischen in den Rücken der Sicherheitskräfte gerückt, deren Blicke nur noch auf die Tür der Moschee gerichtet sind und uns keine Beachtung mehr schenken.
Auf die Frage der Anwesenden an die Beamten, wer denn der hohe Staatsgast sei, bekommen sie nur entgegengezischt, dass es sich um "einen Gast" handelt. Die Blicke richten sich auf mich, aber auch meine Antwort fällt zunaechst nicht zufriedenstellend aus. Nachdem ich erklärt hab wer Hugo Chavez ist, richtet sich die Gruppe unbeeindruckt auf erneutes Warten ein.
Um einen besseren Blick auf den Eingang zu haben, laufe ich durch eine scheinbar menschenleere Seitengasse Richtung Ostseite der Moschee und entdecke nach einigen Metern das milchige Weiss zweier Augenpaare, im Halbdunkeln eines Eingangs, die fest auf mich gerichtet sind. Zwei Soldaten, jeweils bewaffnet mit einer Kalashnikow und einem Munitionsgürtel, beobachten jeden meiner Schritte und die bohrenden Blicke lassen sich erst nach Biegen um die nächste Ecke abschütteln.
Als ich die Ostwand erreiche, wird vor dem Eingang der Moschee gerade Tee an die gelangweilten Militärs verteilt. Ein bolivianischer Tourist läuft auf mich zu, fragt mich nach dem Grund der Absperrung, rollt die Augen, als er vom Besuch Chavez' erfährt und verschwindet wieder in die Richtung aus der er gekommen ist.
Kurze Zeit später verlassen Assad und Chavez die Moschee, befreien die Militärs aus ihrer Langeweile, tauschen noch einige Höflichkeiten mit den Gästen aus und verschwinden wieder im Wagen.
Am Eingang des Suqs höre ich, wie einzelne, abgehackte Kommandos gebrüllt werden, sehe einige Soldaten, die, jetzt eher brutal, die Menschen in die Seitenstrasse schieben, bevor sich die Kolonne durch den Suq al Hamediye in Bewegung setzt. Der Platz leert sich schnell und ein venezolanisches Kamerateam baut seine Ausrüstung unter den Fahnen auf.
Die Gläubigen eilen zur Pforte der Moschee, probieren diese zu öffnen, müssen aber einsehen, dass sie wohl noch für einige Minuten geschlossen bleiben wird. Nach einer Viertelstunde vernimmt man ein Knarren, begleitet von wildem Stimmgemurmel hinter der Tür und heraus treten ca. 150 Soldaten und Sicherheitskräfte, jeder Zweite bewaffnet mit einer Kalashnikow und einem Munitionsgürtel, die beiden Letzten ein schweres MG tragend.
Die Reihe marschiert geradewegs durch den Suq al Hamediye und gibt die Gebetsräume, nach einer kurzen Entweihung, nun endlich zum Morgengebet frei.