18.04.2006
´Früchte des Zorns´: 10 Jahre nach dem Massaker von Qana

Die libanesische Öffentlichkeit hat heute der 102 zivilen Opfer gedacht, die vor genau zehn Jahren bei einem israelischen Angriff auf das Hauptquartier des fidschianischen UN-Bataillons getötet wurden.
Im März 1996 hatten sich die Kämpfe im Südlibanon zwischen der schiitisch-libanesischen Widerstandsgruppe Hizbullah und der israelischen Armee verschärft. Eine 1993 ausgehandelte Waffenruhe endete, als beide Parteien gegen Inhalte eines beiderseitigen Abkommens verstießen, das sowohl Angriffe der Hizbullah auf israelisches Staatsgebiet als auch Attacken auf libanesische Territorien außerhalb der von Israel geschaffenen "Sicherheitszone" im Südlibanon verurteilte.
Am 11. April forderte die libanesische Vasallenmiliz der israelischen Armee, die "South Lebanese Forces",über ihren Rundfunk Bewohner aus 44 Dörfern im Südlibanon auf, das Gebiet innerhalb von 24 Stunden zu verlassen. Gleichzeitig startete Israel unter der Bezeichnung "Früchte des Zorns" einen 17tägigen Feldzug im Libanon, der mindestens 154 zivile libanesische Opfer forden sollte . Artillerie-, Luft- und Seestreitkräfte bombardierten neben Stellungen im Südlibanon auch Ziele in den großen Küstenstädten des Landes. Währenddessen beschoss die Hizbullah fortlaufend den Norden Israels mit Katyusha-Raketen, ohne dabei allerdings zivile Opfer zu verursachen.
Laut einer Sprecherin der Vereinten Nationen beantwortete die Hizbullah am 18. April israelischen Attacken mit Mörsergranaten, die 300 Meter entfernt vom Gelände des fidschianischen Bataillons der UNIFIL-Truppen abgefeuert wurden. 15 Minuten später wurde das Gebiet von israelischen Panzerhaubitzen bombadiert. 102 der Zivilisten, die ihre umliegenden Dörfer verlassen hatten und sich auf das deutlich erkennbare und somit vermeintlich sichere Gelände der UNIFIL-Truppen geflüchtet hatten, starben bei dem Angriff.
Nach weiteren zehn Tagen endete die Operation "Früchte des Zorns" nach einer neuen schriftlichen »Vereinbarung« zwischen den kriegführenden Parteien, die Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung und die Einrichtung einer Überwachungsgruppe, bestehend aus Vertretern der Vereinigten Staaten, Frankreichs, Syriens, des Libanon und Israels, vorsah. Neben 154 zivilen Opfern mussten ca. 300 000 Menschen aus dem Süden des Libanon flüchten. Das offizielle Ziel der Operation, die militärische Zerschlagung der Hizbullah, wurde nicht verwirklicht.
Die israelische Regierung unter Shimon Peres erklärte indessen, der Angriff bei Qana habe nicht dem UN-Gelände, sondern der nahe gelegenen Stellung der Hizbullah gegolten und die israelische Kampfeinheit habe aufgrund "fehlerhafter Daten" irrtümlich das UN-Gelände anvisiert.
Eine von den Vereinten Nationen veranlasste Untersuchung der Vorfälle kam zu folgendem Ergebnis:"Während die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden kann, so ist es unwahrscheinlich, dass der Beschuss des Geländes der Vereinten Nationen das Resultat grober technischer und/oder verfahrenstechnischer Fehler war.

Christoph ist studierter Islam-, Politik- und Geschichtswissenschaftler mit Fokus auf Westasien. Der Mitgründer von Alsharq - heute dis:orient - war zwischen 2011 und 2014 bei der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Willy-Brandt-Zentrum in Jerusalem tätig. In Berlin arbeitet er als Geschäftsführer für Alsharq REISE. Christoph hält regelmäßig...