13.07.2014
Friedenstagung in Zeiten des Kriegs - die Ha'aretz Peace Conference
Friedenstauben Netanyahu und Abbas. Foto: Haaretz
Friedenstauben Netanyahu und Abbas. Foto: Haaretz

Es mutete ein wenig surreal an, als am Dienstag in Tel Aviv PolitikerInnen Israels und Palästinas gemeinsam mit der Friedensbewegung auf der Ha’aretz-Friedenskonferenz zusammenkamen, während eine massive Militäroffensive der israelischen Regierung und Armee gegen die Hamas im Gazastreifen im Gange war. Wegen eines Raketenalarms in Tel Aviv mussten die KonferenzteilnehmerInnen kurzzeitig Schutzräume aufsuchen.

Die linksliberale Tageszeitung Ha′aretz lud zur Friedenskonferenz, und viele folgten der Einladung: Sowohl Israels scheidender Präsident Shimon Peres als auch VertreterInnen der israelischen Regierung und Opposition sowie der Wirtschaft und zahlreicher Nichtregierungsorganisationen kamen am Dienstag in Tel Aviv zusammen. Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas sowie US-Präsident Barak Obama richteten eine Botschaft an die Konferenz, ebenso wie der saudische Prinz Turki Al Faisal, der das Angebot der arabischen Friedensinitiative wiederholte. Justizministerin und Verhandlungsführerin Tzipi Livni sprach darüber, wie Frieden diplomatisch erreicht werden könne. Die ehemalige Oppositionsführerin und Abgeordnete der Arbeitspartei Shelly Yachimovic sprach zusammen mit Ahmed Tibi, palästinensischer Israeli und Knessetabgeordneter für die Vereinigte Arabischen Liste-Ta’al, über die Verbindung zwischen Frieden und sozialer Gerechtigkeit.

Die Zeitung hatte die Konferenz bereits seit langem geplant, bevor die Situation in Nahost sich nun wieder dramatisch zugespitzt hat, um eine Plattform der kritischen Diskussion über nationale Angelegenheiten zu bieten. Vor allem, da das Thema „Frieden” nach den gescheiterten Verhandlungen fast vollständig aus dem öffentlichen Diskurs verschwunden war und das selbstgerechte Mantra des fehlenden Partners für Frieden als Ausrede dafür diente.

 

Shimon Peres:
„Israel will Frieden mit den Palästinensern, aber leider sind die Palästinenser in zwei Lager gespalten: ein Friedenslager und ein Lager des Terrorismus“

 

Vor dem Hintergrund der anlaufenden Militäroffensive sprach Israels Präsident Shimon Peres mehr über den aktuellen Krieg als über Frieden. Seine Botschaft war eindeutig: Unterstützung der Armee und der Menschen im Süden Israels sowie Solidarität mit den SoldatInnen. Er erklärte: „Wenn wir [den Krieg gegen die Hamas] gewinnen, werden die [Frauen und Kinder im Süden Israels] dank ihrer Ausdauer die Gewinner sein. Ich denke, es ist erforderlich, den Soldaten im Feld unsere große Bewunderung auszudrücken. Ebenso all jenen Zivilisten, die stark bleiben.“

Zu möglichen neuen Friedensverhandlungen mit den PalästinenserInnen sagte Peres, dass diese in ein friedenswilliges Lager und ein Lager des Terrorismus, das Israel zerstören will, gespalten seien. Was das für mögliche Verhandlungen heißt, ließ er offen.

 

Mahmoud Abbas:
„Palästinas Vision des Friedens ist klar und basiert auf den Prinzipien des Internationalen Rechts“

Palästinenserpräsident und Vorsitzender der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Mahmud Abbas, wies zu Beginn seiner Botschaft an die Konferenz darauf hin, dass die PLO bereits vor 26 Jahren einer Zwei-Staaten-Lösung zugestimmt habe und Israel in den Grenzen von vor 1967 anerkannt habe und damit auf 78 Prozent des historischen Palästinas verzichtet habe. Er kritisierte die jetzige israelische Regierung dafür, den Friedensprozess als Deckmantel für eine Fortsetzung der Besatzung und Unterdrückung der Palästinenser zu nutzen.

Dennoch machte er deutlich, dass er als Präsident aller PalästinenserInnen nach wie vor an der Vision der Zwei-Staaten-Lösung festhalte, an deren Ende eine friedliche und normale Beziehung zum israelischen Nachbarn stehen solle. Für künftige Verhandlungen seien jedoch klare Parameter und ein festgelegtes Ziel notwendig, was Abbas bei der jetzigen israelischen Regierung vermisse. Seine Vision des Friedens sei klar und basiere auf den Prinzipien des Internationalen Rechts.

Gegen 18:00 Uhr musste die Konferenz wegen eines Raketenalarmes in Tel Aviv unterbrochen werden. Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour, der an der Konferenz teilnahm, twitterte, man sei angehalten, den Keller des Konferenzhotels nicht zu verlassen.

 

Während die KonferenzteilnehmerInnen sich rasch in Sicherheit brachten, blieb Yuval Diskin, Chef des Inlandgeheimdienstes Shin Bet von 2005 bis 2011, auf seinem Platz sitzen und blickte sprachlos auf sein Smartphone. Ein Bild, das die Sprachlosigkeit vieler Friedenswilliger in Israel und Palästina symbolisiert, während radikale und extreme Stimmen immer lauter werden.

 

Barak Obama:
„Frieden ist der einzige Weg zu echter Sicherheit für Israel und die Palästinenser“

US-Präsident Obama machte in seinem Leitartikel zur Konferenz deutlich, dass die Sicherheitskooperation zwischen den USA und Israel stärker denn je seien und die Budgethilfe in Höhe von drei Milliarden US-Dollar trotz des knappen US-Haushaltes bis 2018 sicher sei. Doch sei der einzige Weg zu echter Sicherheit ein dauerhafter Frieden zwischen Israel und den Palästinensern, weswegen der Friedensprozess fortgesetzt werden müsse. Obama zeigte sich weiterhin überzeugt davon, dass Frieden notwendig, gerecht und möglich sei, auch um die demokratische Zukunft des jüdischen Staates zu gewährleisten.

Um zwei Staaten für zwei Völker zu erreichen, müssten beide Seiten gewillt sein, für den Frieden auch Risiken hinzunehmen, so Obama. Dabei sei für die Regierungen auch die Unterstützung der Zivilgesellschaft nötig.

 

Turki Ibn Faisal Al Saud:
„Frieden wäre mit der Arabischen Friedensinitiative möglich“

Der saudische Prinz Turki Al Faisal, der von 1977 bis 2001 Chef des saudischen Geheimdienstes und von 2005 bis 2006 Botschafter in den USA war, wiederholte in einem Beitrag für die Konferenz das Angebot der Arabischen Liga von 2002 für Frieden und normale Beziehungen mit Israel. Dafür sei ein Rückzug aus den 1967 besetzten Gebieten notwendig, ebenso wie die Anerkennung eines unabhängigen palästinensischen Staates mit Ostjerusalem als Hauptstadt. Faisal Al Saud zeigte sich enttäuscht, dass es bisher keine Reaktionen seitens der israelischen Regierungen auf die Initiative gegeben habe. Er hoffe, die TeilnehmerInnen der Friedenskonferenz erkannten die Möglichkeit eines gerechten Friedens auf Grundlage der Arabischen Friedensinitiative.

Als Wirtschaftsminister Naftali Bennett über Frieden in Zeiten des Realismus sprach und sagte: „Niemand in Israel will Frieden mehr als ich es will“, buhte ihn das Publikum aus. Viele machen den Vorsitzenden der rechten Partei HaBeit HaYehudi mitverantwortlich für die spannungsgeladene und rassistische Atmosphäre der letzten Wochen, die in Jerusalem immer wieder zu Angriffen auf PalästinerserInnen führte. Während seiner Rede wurde er mehrmals von Zwischenrufen unterbrochen, die ihn als Mörder und Faschisten beschimpften. Als er nach seiner Rede die Bühne verließ, stürmten zahlreiche TeilnehmerInnen auf ihn zu. Seine Personenschützer konnten ihn zwar von der wütenden Masse abschirmen, jedoch gelang es einem Mann, Bennett von hinten in den Rücken zu boxen oder zumindest an der Schulter zu stoßen.

Es mutete absurd an, dass die Friedenswilligen in Tel Aviv zusammen kamen, während siebzig Kilometer weiter südlich ein Krieg tobt. Konferenzteilnehmer und ehemaliger Verteidigungsminister Ehud Barak sagte, es sei surreal, auf einer Friedenskonferenz zu sein, während die Situation eskaliere.

 

Bereits vor der Konferenz gab es Kritik an der Veranstaltung, die nach Auffassung vieler linker FriedensaktivistInnen nur eine folgenlose Diskussionsveranstaltung im politischen Mainstream sei. In der Tat vermochte es die Konferenz nicht, Einfluss auf die derzeitige Eskalation zu nehmen. Da klingen die Worte Obamas am Ende seines Leitartikels zwar hoffnungsvoll, aber auch pathetisch und hilflos: „Es ist niemals zu spät, den Boden für Frieden zu bereiten – einen echten und lebendigen Frieden, der nicht nur in der Plänen der Regierungschefs existiert, sondern in der Herzen aller Israelis und Palästinenser“.

Tobias Pietsch ist stellvertretender Vorsitzender des Forums Deutschland-Israel-Palästina, auf dessen Website dieser Artikel am 12.7.2014 erschien.