Selten ist die al-Azhar-Strasse so leer wir am Freitag Vormittag. An Arbeitstagen stauen sich die Autos auf mehreren Spuren und dass obwohl der Verkehr auf zwei, kurzzeitig gar auf drei Etagen rollt. Erst am spaeten Vormittag kommt Leben in die Strasse. Die Menschen stroemen in Richtung der al-Azhar-Moschee, der mehr als 1000 Jahre alten, wichtigsten religioesen Institution Aegyptens mit ihrer angeschlossenen Universitaet.
Viele Aegypter, aber auch Muslime aus Afrika, Indien und dem Fernen Osten stroemen zum Freitagsgebet herbei, als der Muezzin um kurz nach 12 Uhr mittags seine Stimme erhebt. Nichtmuslimen ist in dieser Zeit der Zutritt nicht gestattet. Vor dem Hauptportal der Azharmoschee haben unterdessen mehrere Dutzend Polizisten Stellung bezogen, teilweise mit modernen Sonnenbrillen, dafuer aber umso antiker wirkenden Maschinengewehren bewaffnet. Offenbar werden spontane Protestkundgebungen nach dem Ende des Freitagsgebets befuerchtet.
Die Predigt des Vorbeters dauert etwa 45 Minuten. Viele Maenner kommen erst jetzt herbeigerannt, viele mit dem eigenen Gebetsteppich in der Hand. Die Predigt war fuer sie offensichtlich nicht von Interesse, dafuer wollen sie ihre religioese Pflicht des gemeinsamen Freitagsgebet, das nicht laenger als 5 Minuten dauert, erfuellen.
Gegen 13 Uhr verlassen die Menschenscharen das Gotteshaus. Aeltere Manner setzen sich in eines der nahen Shishakaffees um bei einer Wasserpfeife zu diskutieren, Back Gammon zu spielen oder einfach nur nachdenklich die Gebetskette durch die Finger gleiten zu lassen.
Nun duerfen auch Nichtmuslime die Moschee wieder betreten. Im mit Marmorplatten ausgelegten Innenhof toben Kinder ueber die glatten Steine, Maenner palavern im Schatten der Saeulengaenge, verschleierte Frauen stillen ihre Kinder.
In der eigentlichen Gebetshalle hat unterdessen eine Gruppe von Muslimbruedern etwa 80 Zuhoerer um sich geschart. Ein aelterer Scheich haelt eine aufruehrerische Rede, Helfer halten kleinere Plakate hoch, auf denen der "Voelkermord der Zionisten" verurteilt und die aegyptische Regierung aufgefordert wird, den Grenzuebergang Rafah fuer die Palestinenser zu oeffnen.
"Seit dem Niedergang der Sowietunion betreibt der Westen einen Kreuzzug gegen die islamische Gemeinschaft. Sie besetzen unsere Staedte, Laender und Heiligen Staetten. Wenn wir uns mit Maertyreroperationen verteidigen, nennen sie das Terrorismus. Oh, ihr Maertyrer, wir werden euren Kampf fortsetzen. Gott ist gross und es lebe die islamische Gemeinde!", ruft der aufgeregte End-70er. Zahlreiche Anhaenger halten seine Worte mit ihren Handys fest. Es wird nicht lange dauern bis Videos der Wutrede im Internet kursieren.
Angesichts mehrerer Tausend Muslime, die sich in der Azhar-Moschee zum Freitagsgebet versammelten, ist es nur eine kleine Minderheit, die sich um die Muslimbrueder schart und mehrfach zustimmend murmelt. Nur 20 Meter von der Gruppe entfernt liegt ein Mann an einen der maechtigen Pfeiler gelehnt und schnarcht laut vernehmlich.