Reporterinnen in der autonomen Region Irakisch-Kurdistan sind genauso motoviert über Konflikte zu berichten wie ihre männlichen Kollegen. Frauen begegnen auf ihrem Weg ins Berichterstattungsgebiet jedoch weitaus mehr Herausforderungen.
Journalistin Robar Ahmad, 34, arbeite während der jüngsten, von der Extremist:innengruppe Islamischer Staat (IS) ausgelösten Sicherheitskrise bei einem irakisch-kurdischen Medienunternehmen. Sie fragte ihren Vorgesetzten, ob auch sie zu den Kämpfen an der Front geschickt werden könne – die von 2014 bis 2017 vom IS kontrollierte Stadt Mossul ist nur etwa 100 Kilometer von Irakisch-Kurdistan entfernt.
Aber Ahmads Vorgesetzter sagte ihr, sie könne nicht gehen. Der Grund: Er mache sich Sorgen, dass sie entführt werden könnte. Und er war der Meinung, Frauen seien zu schwach, um in den Krieg zu ziehen, und dass sie vor allem nichts an der Front zu suchen hätten.
„Ich wollte zum Schlachtfeld und ich war mir sicher, dass ich dazu in der Lage war“, sagt Ahmad. „Ich weiß, dass die Arbeit von Journalist:innen an der Front nicht leicht ist. Aber sie übersteigen die Fähigkeiten von Frauen nicht. Ich glaube, ich hätte möglicherweise sogar einen besseren Job gemacht als die Männer, wäre es mir erlaubt worden. Ich habe viel Energie und kann lange arbeiten. Aber das war meinem Vorgesetzten nicht genug. Wenn sich eine neue Gelegenheit bietet, werde ich gehen und von der Front berichten.“
Ahmad kündigte schließlich ihren Job und begann für ein anderes Medienunternehmen zu arbeiten. Doch als es so weit war, war der Kampf gegen den IS bereits vorbei.
Als Frau an die Front
Kali Amin ist eine der wenigen Frauen vor Ort, denen erlaubt wurde, an die Front zu gehen. Sie erinnert sich noch sehr gut an all die tragischen Szenen, die sie mit ihrer Kamera eingefangen hat. Sie diskutiert oft mit Kolleg:innen über ihre Arbeit an der Front. Dabei stellt sie jedoch fest, dass sie mit Kolleginnen nicht darüber sprechen kann, weil keine von ihnen ihre Erfahrungen teilt.
Die abenteuerlustige Journalistin Amin war bei den meisten Kämpfen gegen den IS an Orten wie Kirkuk, Mossul, Afrin, Kobane, Qamischli und Manbidsch dabei.
„Am Anfang hatte ich das Gefühl, dass keine Journalistinnen von der vordersten Front berichteten. Deshalb habe ich mich entschieden, genau das zu tun“, erklärt Amin. „Als ich dort ankam, spürte ich, dass dies keine leichte Aufgabe sein würde. Ich bin Reporterin, aber an der Front musste ich auch die Kamera selbst tragen und Fotos machen.“
Der Grund dafür war, dass keiner ihrer Kollegen mit ihr gehen wollte – sie wollten nicht dafür verantwortlich gemacht werden, sollte ihr etwas zustoßen.
„Es stimmt: Für Frauen ist es gefährlicher“, räumt Amin ein. „Sie könnten verhaftet werden, was sehr an den Kräften zehrt.“ Amin selbst wurde einmal acht Stunden lang in Gewahrsam gehalten.
Für Amin sind die Reaktionen der Gesellschaft jedoch fast noch problematischer, denen sich Journalistinnen, die sich für den Job an der Front entscheiden, ausgesetzt sind. „Als meine Mutter erfuhr, dass ich an die Front wollte, sagte sie, sie würde sich nicht um mein Kind kümmern. So wollte sie mich zwingen, meine Meinung zu ändern“, so Amin. „Aber dann sagte meine Schwiegermutter, sie würde es tun.“
Die Schwäche des regionalen Journalismus
Diarey Mohammed, Leiter des Metro Zentrums für Journalist:innenenrechte in Irakisch-Kurdistan, sagt, es läge keine Beschwerden darüber vor, dass Frauen keine Erlaubnis zur Kriegsberichterstattung erhielten. „Aber das bedeutet nicht, dass sich das Zentrum nicht mit dem Thema befasst“, sagt er.
„Wir haben eindeutig das Gefühl, dass es eine Leerstelle gibt. Wir haben während unserer Treffen mit den Medienunternehmen darüber gesprochen“, sagte Mohammed. „Wir glauben durchaus, dass Frauen in der Lage sind, diese Art der Berichterstattung zu leisten.“
Mohammed verweist auf die Opfer, die Journalistinnen in der Region gebracht haben. Darunter Shifa Gardi (auch bekannt als Shifa Zikri Ibrahim), die 2017 durch eine Mine am Straßenrand getötet wurde, und Deniz Furst, die während eines Angriffs des IS im Jahre 2014 starb, als sie von Schrapnellen getroffen wurde.
Der Kurdische Journalist:innenverband führt keine Statistiken darüber, welche Medien Mitarbeiterinnen für die Kriegsberichterstattung zulassen und welche nicht. Nazakat Hama Said ist im Verband für die Registrierung von Übergriffen gegen Journalist:innen in der Region zuständig. Sie sagt, es seien viele Gründe denkbar, warum solche Verbote ausgesprochen werden. „Sie hängen damit zusammen, wie die verschiedenen Medien arbeiten, mit der lokalen Kultur und der Art und Weise, wie unsere Gesellschaft Frauen wahrnimmt. Medienhäuser hier sind außerdem nicht sehr gut darin, Journalist:innen für die Arbeit an der Front auszubilden“, sagt sie.
Die durch den IS verursachte Sicherheitskrise hat gezeigt, dass der regionale Journalismus in diesem Bereich eine Schwachstelle besitzt. Zu Beginn des Konflikts eilten irakisch-kurdische Journalist:innen an die Front, um zu berichten. Viele wurden aufgrund ihrer mangelnden Erfahrung und Ausbildung verwundet oder sogar getötet. Tatsächlich glaubt Mariwan Hama Said, der Gründer der Interessensvertretung für Journalist:innenrechte und Medienberater, dass lokale Journalismusschulen Module zur Kriegsberichterstattung einführen sollten, sowie die Reporter:innen in Erster Hilfe und persönlicher Sicherheit ausbilden müssten.
Ein Tag an der Front
Nicht alle irakisch-kurdischen Medienunternehmen stehen jedoch vor diesen Problemen. Die Vorsitzende der Korrespondent:innen des lokalen Senders und der Website NRT, Ghamkin Mohammed Karim, sagt, sie hindere weibliche Reporterinnen nicht daran, an die Front zu gehen oder über andere gewalttätige Auseinandersetzungen zu berichten.
„Zwei Korrespondentinnen des Senders haben über den Krieg gegen den IS und die Angriffe auf die kurdische Region durch den IS berichtet“, sagt sie. „Aber sie waren nur für einen Tag dort. Wir wussten, dass der Krieg andauern würde und wir wussten, dass wir dort die ganze Zeit Leute brauchen würden. Wir hielten es für sicherer, jüngere männliche und weibliche Reporter:innen zu schicken und dann jeweils nur für einen Tag.“