Der Ramadan ist zwar seit einigen Tagen vorbei, für eine Gruppe junger Marokkaner hat der islamische Fastenmonat jedoch Folgen. Sie hatten im Internet zum Fastenbrechen während der Nachmittagsstunden aufgerufen. Nun drohen ihnen empfindliche Geld- oder Haftstrafen.
Eine Gruppe junger Marokkaner verabredet sich für ein Nachmittagspicknick und lädt übers Internet andere Leute ein zu ihnen zu stoßen. Als die Ausflügler jedoch am 13. September den verabredeten Treffpunkt erreichen, werden sie von einer Hundertschaft Polizisten empfangen. Die Sicherheitskräfte nehmen die Personalien der angereisten Picknickgäste auf, durchsuchen sie und zwingen sie anschließend nach Hause zurückzukehren. Vier Studenten werden zeitweise festgenommen.
Der Grund für diese Aufregung: Das geplante Picknick sollte während des islamischen Fastenmonats Ramadan stattfinden. Nach marokkanischem Gesetz ist das Fastenbrechen während der Tagesstunden aber verboten und wird mit Geldstrafen von bis zu hundert Euro oder einem bis sechs Monaten Gefängnis bestraft. Genau gegen diesen Paragraphen 222, von dem nur die religiösen Minderheiten Marokkos und Ausländer ausgenommen sind, wollten die Initiatoren des Picknicks protestieren.
Die Organisatoren des Picknicks, das in einem Wald nahe der Stadt Mohammedia zwischen Rabat und Casablanca stattfinden sollte, sind Teil der »Alternativen Bewegung für individuelle Freiheiten« (MALI). Mit der Aktion wollte die Organisation auf die jährlichen Festnahmen von Marokkanern hinweisen, die während der Tagesstunden essen. So sei im vergangenen Jahr in der Stadt Fez ein Diabetes-Kranker stundenlang von der Polizei festgehalten worden. Außerdem berufen sich die MALI-Aktivisten auf das gesetzlich garantierte Recht auf freie Religionsausübung. Keinesfalls sei ihre Aktion gegen die marokkanische Gesellschaft oder den Islam gerichtet.
Das verhinderte Protestpicknick hat in Marokko für einige Aufregung gekostet. Im Internet wird die überzogene Reaktion des Staates als »Kampf von 100 Polizisten gegen 10 Sandwichs« ins Lächerliche gezogen. Weniger amüsiert zeigte sich die Union der islamischen Rechtsgelehrten, die den Protest verurteilten und seine Initiatoren als Aufwiegler brandmarkten. Nach eigenen Angaben haben die MALI-Aktivisten in den letzten Tagen dutzende E-Mails mit Todesdrohungen erhalten.
Sie kritisieren die Reaktion des Staates scharf, der mit seinem Vorgehen genau jenen Islamisten Auftrieb und Genugtuung verschaffe, die er bei anderer Gelegenheit zu bekämpfen vorgibt. Außerdem verweisen sie darauf, dass das Fasten während des Ramadan nur eine der fünf Säulen des Islam sei. Gleichwohl werde niemand bestraft, wenn er nicht nach Mekka pilgere oder nicht fünf Mal am Tag bete.