Über die Bedeutung eines gemeinsamen und inklusiven Ansatzes zur Beruhigung der Spannungen im Mittleren und Nahen Osten. Bericht von der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten. Von Ali Fathollah-Nejad
Während die Kriegstrommeln gegen Iran wieder erklingen und die revolutionären Prozesse in der arabischen Welt einem mühsamen Weg folgen, bleibt die Frage nach einer nachhaltigen Perspektive für eine konfliktträchtige Region unbeantwortet. Letzten Endes ist das Fehlen sowohl von Sicherheit als auch von Zusammenarbeit eine andauernde Malaise, die die Region plagt.
Zivilgesellschaftliche Bemühungen für gemeinsame Sicherheit und regionale Zusammenarbeit
Vor einigen Jahren wurde eine zivilgesellschaftliche Initiative für eine Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten (KSZMNO) federführend durch den Friedens- und Konfliktforscher Prof. Dr. Mohssen Massarrat in Zusammenarbeit mit den deutschen Sektionen der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) und den Juristen und Juristinnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen (IALANA) ins Leben gerufen. Nach Jahrzehnten gewaltsamer Konflikte in der Region, beschlossen die Initiatoren nicht mehr länger zu warten, sondern zivilgesellschaftliche Akteure aller betroffener Länder zu versammeln, um eine Perspektive für Frieden, Sicherheit und Zusammenarbeit zu fördern – etwas, das die staatlichen Akteure sträflich vernachlässigt hatten. Eines ihrer Kernziele ist die Einrichtung einer massenvernichtungswaffenfreien Zone im Mittleren und Nahen Osten.
Nach einem ersten Workshop im Januar 2011 in Deutschland, fand ein zweiter Ende Oktober 2011 an der School of Oriental and African Studies (SOAS) der Universität London in Kooperation mit dem dort ansässigen Centre for International Studien and Diplomacy (CISD) statt. Das Treffen war mit einer jährlichen CISD-Konferenz zu einem ähnlichen Thema verknüpft: die 6. SOAS/British Pugwash London Conference on a Middle East Weapons of Mass Destruction Free Zone.
Bisher wurden zivilgesellschaftliche Kräfte aus fast jedem Land der Region zusammengebracht. Verbunden durch den Wunsch, den Teufelskreis der regionalen Militarisierung zu durchbrechen, wollen sie eine Vision für gemeinsame Sicherheit und regionale Zusammenarbeit anbieten. Zusätzlich zur Sicherheitspolitik umfasst der KSZMNO-Prozess einige weitere Bereiche für Zusammenarbeit, unter anderem die Bereiche sozio-ökonomische Entwicklung, interreligiöser und -kultureller Dialog sowie Gesundheit. Es besteht die Hoffnung, dass die nächste Konferenz in der Region selbst stattfinden wird. All das geschieht mit dem Ziel, in naher Zukunft eine Gründungskonferenz für den zivilgesellschaftlichen KSZMNO-Prozess abzuhalten.
Für 2012 (vielleicht realistischer für 2013) ist die erste Konferenz der Vereinten Nationen über eine massenvernichtungswaffenfreie Zone im Mittleren und Nahen Osten geplant, für die Finnland als Gastgeber ausgewählt wurden. Im Idealfall sollen dort konkrete Schritte zur Umsetzung dieses Ziels definiert und zivilgesellschaftliche Gruppen einbezogen werden.
Der „Arabische Frühling“: Die Notwendigkeit einer wahrhaftigen regionalen Sicherheitsarchitektur
Ein wichtiges Thema des letzten Workshops in London war der „Arabische Frühling“, der demonstriert hat, dass die zuvor nur abschätzig beiseitegeschobene „arabische Straße“ nicht ein passives Objekt autoritärer Herrschaft ist, sondern dass Gesellschaften offensiv für ihre eigenen Bedürfnisse und Interessen kämpfen und letztlich Wandel bringen können. Diese Entwicklung hat die Initiative für eine KSZMNO ermutigt, indem sie gezeigt hat, dass zivilgesellschaftlicher Druck konkrete Ergebnisse erwirken kann.
Es gilt zu unterstreichen, dass, falls wir den revolutionären Prozess in der arabischen Welt als motiviert durch eine Triade von weitverbreiteten Forderungen – namentlich das Streben nach sozio-ökonomischer Gerechtigkeit, politischer Freiheiten und Unabhängigkeit – verstehen, dann ist die Frage nach Sicherheit, besonders für jene Länder, die zu stark von nicht-regionalen Mächten abhängen, eng mit dem letztgenannten Forderung nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung verknüpft.
Der israelisch-iranischer Konflikt: Ein Zone frei von Massenvernichtungswaffen als einzig nachhaltige Lösung
Jenseits der den arabischen Aufständen impliziten Forderungen nach Sicherheit und Koexistenz, gibt es eine weitere Angelegenheit, die uns dazu drängt, über neue Wege und Lösungen nachzudenken. Das scheinbar unendliche Spektakel um den sog. iranischen Atomkonflikt, das sich häufiger gen Krieg als hin zu einer friedlichen Lösung zuneigt, hat erneut erregte Debatten ausgelöst. Während die meisten politischen Debatten unablässig zwischen Pest (Krieg) und Cholera (Sanktionen) hin- und herschwanken, ist es klar, dass beide Optionen Bedenken in Bezug auf nukleare Proliferation und dem Wohlergehen der iranischen Zivilgesellschaft nicht beseitigen können. Der einzig sinnvolle Weg nach vorn wäre die ebenjene scheinbare Politik-Alternative, die sich als kontraproduktiv erwiesen hat und den Konflikt nur an den Rand eines Krieges bringen wird, aufzugeben und sich anstelle dessen um regionale Abrüstung und letztendlich eine massenvernichtungswaffenfreie Zone zu bemühen. Um einen aus der Auseinandersetzung um nukleare Monopole und Abschreckung resultierenden Zusammenstoß zu verhindern, stellt die Einrichtung einer solchen Zone wohl die einzige wirkliche Lösung dar. Daher gibt es auch den Wunsch sowohl Israel als auch Iran auf der oben erwähnten UN-Konferenz an den Verhandlungstisch zu führen.
Während es nur wenig Zweifel daran geben kann, dass Zivilgesellschaften in der ganzen Region der Aussicht auf gemeinsame Sicherheit und regionale Zusammenarbeit bedürfen, kann es ebenso kaum Zweifel daran geben, dass die bisher in Bezug auf die Region bevorzugte Politik sich bestenfalls als nicht erfolgreich herausgestellt hat. Nur durch eine umfassende Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten (KSZMNO) kann der Verkettung von vielfältigen Konflikten in der Region auf nachhaltige Weise begegnet werden. Hier wird das andauernde und zunehmende Beharren verschiedener zivilgesellschaftlicher Akteure unersetzbar sein, um Entscheidungsträger dazu zu ermutigen, den Weg für nachhaltigen Frieden und Sicherheit in der Region zu bereiten.
Ali Fathollah-Nejad
ist ein in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden ausgebildeter Politologe. Gegenwärtig ist er Doktorand der Internationalen Beziehungen an den Universitäten London (School of Oriental and African Studies, SOAS) und Münster. Er ist zudem Autor von The Iran Conflict and the Obama Administration, erschienen im Universitätsverlag Potsdam im Jahr 2010 (Neudruck in 2011). Er ist ebenso Mitglied der Arbeitsgruppe „Gemeinsame Sicherheit“ der zivilgesellschaftlichen Initiative für eine Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten (KSZMNO).
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