Nach dem überraschenden Rücktritt von Papst Benedikt XVI. bekommen auch die Katholiken in der arabischen Welt einen neuen "Baba". Drei Kirchenvertreter aus dem Nahen Osten sind beim Konklave in Rom stimmberechtigt. Sie vertreten eine christliche Minderheit, die schwierigen Zeiten entgegen sieht.
Die Nachricht schlug ein "wie ein Blitz aus heiterem Himmel", so haben es selbst Kirchenvertreter aus dem Vatikan formuliert. Am 28. Februar um 20 Uhr steigt Papst Benedikt XVI. vom Stuhle Petri herab und gibt seinen Posten an der Spitze der katholischen Kirche auf. 15 bis 20 Tage später werden voraussichtlich 117 Kardinäle in Rom zusammenkommen, um im Konklave den 266. Papst zu wählen. An der Versammlung, die hinter geschlossenen Türen im Vatikan stattfindet, dürfen nach heutigem Stand auch drei Kirchenvertreter aus dem Nahen Osten teilnehmen.
Der Sudanese
Der Dienstälteste aus diesem Trio ist Gabriel Kardinal Zubeir Wako, der Erzbischof von Khartum. Der Sudanese legte einen schnellen Aufstieg in der Kirchenhierarchie hin. Bereits im Alter von 22 Jahren zum Priester geweiht, wurde er 1981 als 40-Jähriger zum Erzbischof ernannt. 2003 nahm ihn Papst Johannes Paul II. ins Kardinalskollegium auf.
Die Lage der christlichen Minderheit im Sudan, der etwa zwei Millionen Gläubige angehören, ist prekär. Während des jahrzehntelangen Bürgerkriegs flohen Hunderttausende vor Mord und Vertreibung. Zubeir Wako selbst sagte einmal: "Sudans Regierung hatte sich selbst das Ziel gesetzt, das Christentum bis zum Jahr 2000 aus dem Land zu verjagen. Diesen Plan haben wir zunichte gemacht - bis jetzt." Fünf Jahre später äußerte der Kardinal erneut sein Misstrauen gegenüber den sudanesischen Machthabern: "Es ist noch immer ein Ziel unserer Unterdrücker, uns zu vertreiben." Im Jahr 2010 überlebte Zubeir Wako einen Attentatsversuch, als sich während einer Messe in Khartum ein Angreifer mit einem Dolch auf den Erzbischof stürzen wollte.
Der Libanese
Der Zweite im Bunde ist Bechara Kardinal Boutros al-Ra'i. Er ist das Oberhaupt der mit Rom unierten maronitischen Kirche. Der 71-Jährige ist seit 1967 Priester und wurde im März 2011 zum Maronitischen Patriarchen von Antiochien und dem ganzen Orient gewählt. In dieser Position wurde er Nachfolger von Nasrallah Boutros Sfeir, der ganz ähnlich wie nun Benedikt XVI. sein Amt aus Altersgründen aufgab. Erst im November vergangenen Jahres nahm der Papst Ra'i in das Kardinalskollegium auf.
Die maronitische Gemeinschaft zählt etwa fünf Millionen Mitglieder, etwa eine Million von ihnen leben im Libanon, weitere 500.000 in Syrien. Die übrigen Maroniten leben als Nachfahren von Auswanderern aus der Levante in der ganzen Welt verstreut, vor allem in Nordamerika und Frankreich.
Seit Amtsantritt als Patriarch ist Ra'is Kurs inner- und außerhalb der maronitischen Gemeinde umstritten. Erst am vergangenen Wochenende reiste das Kirchenoberhaupt nach Damaskus, wo er an der Amtseinführung des griechisch-orthodoxen Patriarchen Johannes X. teilnahm. Zugleich betete er dort für Frieden. In seiner libanesischen Heimat erntete Ra'i für seine Visite Kritik. Vertreter christlicher Parteien, die dem anti-syrischen Bündnis March 14 angehören, warfen ihm vor, damit den angeschlagenen Diktator Bashar al-Assad zu stützen. Schon im September 2011 hatte Ra'i mit seiner öffentlichen Forderung, "Assad eine Chance zu geben", für Aufsehen gesorgt. Der Patriarch fürchtet offenbar eine deutliche Verschlechterung der Lage für Syriens Christen, sollte nach einem Sturz des Baath-Regimes eine von Islamisten dominierte Führung die Macht in Damaskus übernehmen.
Im Libanon spielt Ra'i als Oberhaupt der zahlenmäßig größten christlichen Konfessionsgruppe wie sein Vorgänger eine wichtige Rolle in der Innenpolitik. Bei der aktuellen Diskussion um ein neues Wahlrecht etwa, erscheint eine Entscheidung ohne Zustimmung des Patriarchen undenkbar.
Der Ägypter
Der dritte Kirchenvertreter aus der arabischen Welt ist Antonios Kardinal Naguib aus Ägypten, der emeritierte Patriarch von Alexandrien. Der 76-Jährige war bis vor wenigen Wochen das Oberhaupt der mit Rom unierten koptisch-katholischen Kirche. Diese Gemeinschaft ist eine Minderheit innerhalb der koptischen Gemeinde in Ägypten und zählt etwa 200.000 Anhänger.
Naguib stand den katholischen Kopten seit 2006 vor, vier Jahre später nahm ihn Benedikt XVI. ins Kardinalskollegium auf. Während des Umsturzes in Ägypten verhielt er sich zurückhaltend, später lobte er die "patriotischen Ägypter", die der schon "seit langer Zeit untragbaren Situation im Land" ein Ende gesetzt hätten.
Der Patriarch hat seit Jahren mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, sein Zustand verschlimmerte sich Anfang 2012 dramatisch, als er einen Schlaganfall erlitt. Monatelang übernahm ein Stellvertreter seine Aufgabe, bevor Naguib im Januar seinen Rücktritt erklärte. Als Nachfolger wählte die Synode Ibrahim Isaac Sidrak, der jedoch bislang nicht zum Kardinal ernannt wurde und deshalb nicht am Konklave teilnimmt. Wegen seines angeschlagenen Gesundheitszustands ist die Teilnahme Naguibs an der Papstwahl höchst ungewiss.
Die Alten
Vom Konklave ausgeschlossen sind zwei weitere Kardinäle aus dem Nahen Osten. Sie sind älter als 80 und haben damit die zulässige Altersgrenze überschritten. Da ist zum einen Emanuel III. Kardinal Delly, der emeritierte Patriarch von Babylonien. Der 84-Jährige stand bis Ende vergangenen Jahres an der Spitze der chaldäisch-katholischen Kirche. Die Gemeinschaft zählt etwa 600.000 Mitglieder. Bis vor einigen Jahren lebten die meisten von ihnen im Irak, in folge der konfessionellen Gewalt ist jedoch seit der Jahrtausendwende etwa die Hälfte der Gläubigen aus dem Zweistromland geflohen.
Auch der bereits erwähnte emeritierte Patriarch der Maroniten, Nasrallah Boutros Sfeir, gehört zu den Kardinälen, die nicht mehr mit abstimmen dürfen. Er ist inzwischen 92 Jahre alt - ein biblisches Alter, für die Wahl des neuen Kirchenoberhauptes aber zu biblisch.