Scheich Issa Qassem, Chef des Rates der schiitischen Rechtsgelehrten in Bahrain, hat sich gegen eine Revision des traditionellen Familienrechts in seinem Heimatland ausgesprochen. Während seiner Freitagspredigt in der Moschee von Daraz, einer Kleinstadt westlich der Hauptstadt Manama, warnte er in drastischen Worten vor den möglichen Folgen der Gesetzesänderung.: "Wenn dieses Gesetz verabschiedet wird, kann es nicht ohne Blutvergießen wiederrufen werden. Wohin diese Entwicklungen führen können zeigt das Beispiel des Irak", so Qassem, der für die schiitische Bevölkerungsmehrheit in Bahrain die höchste religiöse Autorität darstellt.
Weiter erklärte er, dass ein Recht, das familäre und andere persönliche Fragen regele, nur von Klerikern entworfen werden könne. Unerlässlich sei zudem die Zustimmung der Marjaiya in der irakischen Stadt Najaf, dem wichtigsten Gremium schiitischer Rechtsgelehrter in der Arabischen Welt. Der vom sunnitischen König Bahrains, Shaikh Hamad bin Isa al-Khalifa, vorgelegte Gesetzesentwurf sei lediglich erdacht worden, "um den USA zu gefallen", erklärte Qassem.
Damit bezog sich der Rechtsgelehrte auf Äußerungen des Stellvertretenden Fachbereichsleiters für den Nahen Osten im US-Außenministerium, Scott Carpenter, der am Donnerstag gegenüber einer Tageszeitung erklärt hatte, die USA unterstützten das Vorhaben, den Frauen eine wichtigere Rolle im geselschaftlichen Leben zukommen zu lassen. Gleichzeitig gab Carpenter bekannt, dass Bahrain Gastgeber einer Konferenz über Familienrechte im Nahen Osten und in Nordafrika sein werde.
Aus dem Umfeld des "Obersten Frauen-Rates", der von der Ehefrau des Königs geleitet wird, hatte es zuvor geheißen, das neue Gesetz sei gemeinsam von sunnitischen und schiitischen Rechtsgelehrten, arabisch Ulama, entworfen worden und solle zunächst der Regierung und dann dem Parlament vorgelegt werden. Genaue Details über Neuerungen wurden noch nicht bekanntgegeben. Bislang werden rechtliche Fragen bezüglich der Famile und des persönlichen Status von sunnitischen beziehungsweise schiitischen Gerichten entschieden, je nachdem welcher Glaubensrichtung die betroffenen Personen angehören. Frauenrechtsaktivistinnen fordern seit geraumer Zeit, dass Zivilgerichte über diese Fragen entscheiden sollten.
In bahrainischen Zeitungen wurde König Hamad demonstrativ erstmals mit Frauen abgebildet, die anlässlich des Eid al-Fitr, dem Ende des Ramadan, Gast des Monarchen waren. Seit seiner Amtsübernahme 1999 hat Hamad, dessen Land enger Verbündeter der Vereingten Staaten ist und Fünfte US-Flotte beherbergt, zahlreiche politische Reformen eingeleitet, unter anderem 2002 die Einberufung eines Parlaments.
05.11.2005
Bahrain: Protest gegen neues Familienrecht